Aufregung um Grundsteuerreform
Aktuelle Stunde . 04.07.2024. 33:12 Min.. UT. Verfügbar bis 04.07.2026. WDR. Von Mathea Schülke.
Grundsteuer: Land veröffentlicht Übersicht zu Hebesätzen
Stand: 03.07.2024, 15:30 Uhr
Das Finanzministerium hat Vorschläge zu den Hebesätzen in den Kommunen gemacht. Mit ihnen sollen die Einnahmen aus der Grundsteuer für die Kommunen in etwa so hoch bleiben wie vor der Reform.
Von Nadja Bascheck und Jochen Trum
Die Finanzverwaltung hat, wie angekündigt, eine Tabelle mit Vorschlägen für alle 396 Kommunen in NRW vorgelegt. Angegeben ist jeweils der Hebesatz, mit dem die Grundsteuer künftig berechnet werden könnte, damit auch nach der Reform das Steueraufkommen so hoch ist wie vor der Reform. Die Fachleute nennen das "aufkommensneutral".
Viel Rechnerei also, die zu mehr Transparenz führen soll. Erklärtes Ziel der Reform ist nämlich, dass die Grundsteuereinnahmen in etwa so hoch bleiben wie vorher. Doch es deutet sich bereits an, dass Wohnimmobilien deutlich höher besteuert werden könnten.
Kommunen können am Hebesatz schrauben
Der Hebesatz ist einer der Faktoren, mit dem die Grundsteuer berechnet wird. Wichtig sind auch der Wert des Grundbesitzes sowie die Steuermesszahl. Bisher basierte die Berechnung der Steuer auf Werten, die teilweise Jahrzehnte alt sind. Weil das zu unterschiedlichen Bewertungen gleichartiger Grundstücke führte, hatte das Bundesverfassungsgericht 2018 das System für verfassungswidrig erklärt.
Durch die Reform sollte das Grundsteueraufkommen allerdings nicht grundlegend verändert werden. Bundesweit sind das etwa 14 Milliarden Euro Einnahmen im Jahr. Dafür steht die "Aufkommensneutralität". Diese Neutralität soll durch angepasste Hebesätze gewährleistet werden. Die Tabelle des Landes zeigt nun, wie jede Kommune ihren Hebesatz festlegen könnte, damit die Steuer aufkommensneutral bleibt.
Hier können Sie sich durchklicken und nach Ihrer Kommune suchen.
Und hier sehen Sie in einer interaktiven Karte, welche unterschiedlichen Grundsteuer-Hebesätze das Land den Kommunen in Nordrhein-Westfalen vorschlägt:
Grundsteuer kann Finanzlöcher stopfen
Diese Werte sind aber keinesfalls verpflichtend, denn es gilt die kommunale Selbstverwaltung. Das bedeutet, dass jede Kommune ihren Hebesatz selbst festlegen kann. Theoretisch muss sie sich nicht an die Aufkommensneutralität halten. Denn dabei handelt es sich lediglich um einen Wunsch von Bund und Ländern. Rechtlich ist sie nicht daran gebunden. Angenommen, es bahnt sich ein großes Finanzloch an, kann die Kommune die Grundsteuer erhöhen, um es zu stopfen. Die Grundsteuer ist eine der wenigen Steuern, die direkt in den kommunalen Haushalt fließt.
Von einer Erhöhung machen Kommunen bereits seit Jahren Gebrauch: Eine Auswertung des Statistischen Landesamt IT.NRW zeigt, dass gut ein Viertel aller Kommunen die Grundsteuer B im Vergleich zum Vorjahr erhöht haben. Nur fünf Gemeinden haben die Steuer gesenkt.
Das Land hat vor Kurzem einen Gesetzentwurf vorgelegt, nach dem die Hebesätze von den Kommunen differenziert werden könnten, also je nach Nutzung – privat oder gewerblich. Um diesen Gesetzentwurf gibt es derzeit Streit. Wenn das Gesetz den Landtag passiert, könnte es zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Am Mittwoch wurde es in zweiter Lesung mit den Stimmen von CDU und Grünen gebilligt. SPD, FDP und AfD stimmten dagegen. Es folgt noch eine dritte Lesung.
Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) verteidigte das NRW-Modell im Landtag als "kommunalfreundlichste" Lösung. Die Opposition warf Schwarz-Grün unter anderem vor, zu spät zu handeln und den Städten und Gemeinden den schwarzen Peter zuzuschieben.
Kritik vom Städte- und Gemeindebund
Die Kommunen selbst sind mit der Regelung unzufrieden. Sie sind verärgert, dass ihnen nun vom Land die Detailarbeit aufgebürdet wird. Dafür ist nach ihrer Einschätzung die Zeit bis zum 1. Januar sehr knapp. Sie rechnen mit einer Klagewelle von Grundstückeigentümern und haben rechtliche Bedenken, mit differenzierten Hebesätzen wirklich auf der sicheren Seite zu sein. Außerdem haben sie die Sorge, dass die Festlegung neuer Hebesätze die Frage nach einer gerechten Lastenverteilung zwischen Wohnen und Gewerbe fortan jedes Jahr zu neuen Streitigkeiten in den Städten und Gemeinden führt.
Christoph Landscheidt, Vizepräsident des Städte- und Gemeindebundes NRW, sagt, die nun veröffentlichten Vorschläge für die Hebesätze zeigten "deutlich die Folgen der Versäumnisse der Landesregierung" auf. Nun sei deutlich, in welchem Ausmaß sich Wohnen verteuere und Gewerbe entlastet werde.