AfD-Jugendorganisation "Junge Alternative" wird Verdachtsfall
Stand: 12.12.2023, 13:35 Uhr
Der NRW-Verfassungsschutz schätzt die Jugendorganisation der Landes-AfD als Verdachtsfall ein. Sie habe sich zu einem Teil der rechtsextremistischen Strömung der sogenannten "Neuen Rechten" entwickelt.
Von Boris Baumholt und Christoph Ullrich
Die "Junge Alternative" (JA) kann nun leichter von den Behörden beobachtet werden. Nach WDR-Informationen hat der Verfassungsschutz inzwischen genügend Hinweise darauf, dass die JA "nicht nach demokratischen Spielregeln spielt, sondern das eigene rechtsextremistische Regelwerk vorzieht", so Innenminister Herbert Reul (CDU) zur Begründung.
Bei der Jungen Alternative (JA) handelt es um die Jugendorganisation der AfD. Der Bundesverband der JA ist schon länger ein Verdachtsfall, viele weitere Landesverbände werden ebenso bewertet - nun auch der in NRW. Es gebe "tatsächliche Anhaltspunkte" für den Verdacht, dass die JA in NRW und deren Regionalorganisationen "Bestrebungen verfolgen, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten", so das Innenministerium. Die JA NRW habe sich ideologisch auf Linie des Bundesverbandes begeben. "In den vergangenen Jahren sind rechtsextremistische Positionen in der JA NRW dominierend geworden", heißt es in der Mitteilung weiter.
Personen mit "rechtsextremistischer Biografie"
Es gebe außerdem eine "weitreichende Zusammenarbeit zwischen der Jungen Alternative und Akteuren und Organisationen aus dem Netzwerk der Neuen Rechten". Als Beispiele werden die "Identitäre Bewegung" (IB), das "Institut für Staatspolitik" oder "1 Prozent" genannt. Außerdem seien in der NRW-JA Personen aktiv, die "eine rechtsextremistische Biografie aufweisen"
Durch die Einstufung zum Verdachtsfall hat der Verfassungsschutz nun weitreichende Befugnisse bei der Beobachtung der Organisation. So können unter anderem nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt und personenbezogene Daten gespeichert werden. Insgesamt handelt es sich - um 50 bis 100 Leute, die für die JA in NRW aktiv sein sollen.
Innenminister Reul sagt jedoch auch, dass man sich mit der Jugendorganisation der AfD trotzdem weiter politisch auseinandersetzen müsse. "Dafür müssen wir als politisch Verantwortliche gute Politik für die Menschen in diesem Land machen und diese auch vernünftig erklären".
SPD, FDP und Grüne begrüßen Beobachtung
Von der größten Oppositionspartei im Landtag, der SPD, gab es Zustimmung für die Einstufung der JA. "Der bürgerlich-konservative Anstrich war nie mehr als eine notwendige Maskerade", sagte SPD-Generalsekretär Frederick Cordes auf Anfrage. Es liege nun am Verfassungsschutz und Innenminister Reul, die Wehrhaftigkeit zu stärken, so der Landtagsabgeordnete weiter.
Die Entscheidung zeige, dass die AfD ein Wolf im Schafspelz sei, schreibt FDP-Fraktionschef Henning Höne. "Die AfD aus Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik zu wählen, ist wie aus der Toilette zu trinken, wenn das Bier nicht schmeckt", erklärt der FDP-Politiker. "Die Einstufung ist zudem ein starkes Signal an die Öffentlichkeit zur Einschätzung dieser Organisation", sagt Dorothea Deppermann von den Grünen.
AfD sieht politische Motivation
Die AfD selber sieht in der Einstufung dagegen eine politische Motivation des Landesverfassungsschutzes. Auch in anderen Jugendorganisationen gebe es einzelne, die mit verfassungsrechtlich problematischen Organisationen zusammenarbeiten oder sympathisieren würden, so Landeschef Martin Vincentz.
Trotzdem nehme man die Einstufung sehr ernst. Man werde weiter versuchen "penibel zu prüfen, wenn es eine Zusammenarbeit mit rechtsextremen Organisationen gibt", so Vincentz.
Konsequenzen für JA-Funktionär
Die NRW-AfD hatte in den vergangenen Tagen einem hochrangigen JA-Funktionär die Mitgliedsrechte entzogen. Nils Sören Hartwig ist stellvertretender Bundes- wie Landesvorsitzender der "Jungen Alternative" und gilt als enger Vertrauter des umstrittenen AfD-Politikers Matthias Helferich aus Dortmund. Beiden wird eine Nähe zur Identitären Bewegung nachgesagt.
Laut Beschluss des Parteischiedsgerichts der AfD soll Hartwig unter falschem Namen Mails an den Arbeitgeber eines anderen AfD-Mitglieds geschickt haben. Darin soll er die betroffene Politikerin als "Impfskeptikerin" und "knallharte Nazisau" bezeichnet haben. Hartwig soll jetzt auch ganz aus der Partei ausgeschlossen werden, hieß es aus AfD-Kreisen.