Kommentar: Das Märchen vom bürgerlichen AfD-Anstrich

Stand: 06.01.2025, 11:48 Uhr

Die NRW-AfD hat ihre Liste zur Bundestagswahl gewählt. Für den aktuellen Landesvorstand gerät sie zum Fiasko. Vom vermeintlich bürgerlichen Anstrich ist nicht viel geblieben.

Von Christoph Ullrich

Es sollte ein Signal der Vernunft werden: Ein Rekordergebnis bei der Bundestagswahl vor Augen sollte disziplinieren. Das zumindest war das Kalkül des AfD-Landesvorstandes. Rechtsextreme wie Matthias Helferich sollten keinen Weg auf die Liste finden, wie auch andere aus seinem Lager.

NRW-AfD: langer Weg zur Bundestagsliste WDR 5 Westblick - aktuell 03.01.2025 04:39 Min. Verfügbar bis 03.01.2026 WDR 5

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Aber schon auf Platz 1 ging das alles schief. Spitzenkandidat Kay Gottschalk bekam nur 61 Prozent - und überlegte kurz, ob er das Ergebnis annehmen soll. So schilderte er es zumindest den in Marl anwesenden Journalisten und Journalistinnen.

Dabei war Gottschalk der Mann des Landeschefs Martin Vincentz. Was nach Gottschalks Wahl folgte, war ein fortwährendes Misstrauensvotum gegen den Landesvorstand.

Helferich schafft wieder den Sprung

Matthias Helferich | Bildquelle: Fabian Strauch/ dpa

Auf Platz sechs wurde zum Beispiel dann eben der mit einem sicheren Bundestags-Ticket ausgestattet, den eigentlich die AfD-Top-Funktionäre in Bund und Land verhindern wollten: Matthias Helferich.

Der Dortmunder war 2021 selbst der Bundestagsfraktion zu rechts, man kann ihn getrost als rechtsextrem bezeichnen. In seiner Bewerbungsrede forderte er wieder millionenfache Remigration.

Skandale rächen sich

Der von Skandalen um Mitgliederaufnahmen oder gefälschte Lebensläufe gebeutelte Landesvorstand wusste spätestens da, dass er vor der eigenen Basis in der Defensive ist. So viele sichere Listenplätze gingen an unliebsame Parteimitglieder.

Wie an Anna Rathert aus Recklinghausen. Auf dem Treffen sagte sie, dass ihr Volksbegriff mit Abstammung zu tun habe, wenn auch nicht nur. Was bedeutet, dass es für sie Staatsbürgerschaften erster und zweiter Klasse gibt: ein Fall für den Verfassungsschutz also.

Rathert sagt das nicht zum ersten Mal. Beim Bundesparteitag in Essen wurde die Juristin nicht ins Bundesschiedsgericht gewählt, weil die Delegierten schon ahnten, wofür sie steht.

Das Märchen vom bürgerlichen Anstrich

Nur zwei Beispiele von vielen, wo die Liste für den Landesvorstand aus dem Ruder gelaufen ist. Landeschef Vincnetz dürfte nach diesem Wochenende kurz vor dem üblichen Schicksal seiner Vorgänger stehen: Der Versuch, der AfD einen bürgerlichen Anstrich zu geben, scheitert an der Lust auf Rechtsextreme an der Basis.

Jeder Versuch, sich an die konservative Mitte anzubiedern, ist noch immer in der NRW-AfD gescheitert und am Ende nur ein Märchen.

Passend dazu ist die WhatsApp-Nachricht, die mir ein AfD-Aussteiger im Laufe des Parteitreffens geschickt hat. Ihn wundere es, so schrieb er, dass die Leute rund um Helferich den Laden nicht schon längst übernommen haben. Vielleicht wird das bald passieren.