Kommentar: Die Europawahl als Abstieg der NRW-SPD

Stand: 10.06.2024, 13:29 Uhr

Die SPD in Nordrhein-Westfalen hat ein für sie schlimmes Ergebnis eingefahren. Aber mit dem Finger auf andere Zeigen - ob auf Gegner oder den eigenen Kanzler - wäre jetzt falsch.

Von Christoph Ullrich

Das NRW-Ergebnis bei der Europawahl ist vor allem für die SPD ein Debakel. Noch bis vor nicht allzu langer Zeit wurde die SPD in NRW auch gerne mal als "Einheits-" oder "Staatspartei" verspottet. Davon ist jetzt nun wirklich nichts mehr übrig. Da nützt auch ein zweiter Platz hinter der CDU nichts und die große Klatsche für die Grünen, die fast zehn Prozentpunkte verlieren.

Man sollte es sich auch nicht so einfach machen, und mit dem Finger nach Berlin zeigen. Natürlich ist die Performance des Kanzlers ein Graus für die Partei. Alleine die Reden des Hanseaten Olaf Scholz begeistern kaum noch Menschen, zuletzt zu bewundern beim Wahlkampfabschluss der Bundes-SPD in Duisburg. Scholz hielt einen wenig inspirierenden Vortrag, den er so auch im Bundestag hätte halten können, wenn es da mal wieder um Syrien oder die Ukraine gegangen wäre. Ein Feuer für Europa entfachte er nicht.

Scholz alleine ist es nicht

Aber es redeten auch noch andere, nahezu die komplette NRW-"Prominenz" des einst mächtigsten Landesverbandes der SPD. Und auch deren Vorträge waren wirklich keine Wahlwerbung mit Esprit. Wofür die SPD steht, hat man nicht erfahren.

Für wen sie nicht mehr steht, hat deshalb das wenig überraschende Wahlergebnis offen gelegt: Die sogenannte Mitte schart sich um die CDU von Hendrik Wüst, der ein stabiles Ergebnis vorzeigen kann. Aber Arbeiter oder Menschen mit niedrigem Lebensstandard wählen fast zu einem Drittel die AfD.

Das ist eigentlich SPD-Kernklientel, gerade in einem Land mit so vielen Brüchen und sozialen Herausforderungen wie NRW. In Gelsenkirchen kommt es gar zum GAU für die Sozialdemokraten, nur Platz drei, hinter CDU und AfD.

Die SPD kümmert sich nicht mehr (richtig)

Ein solches Ergebnis dokumentiert, dass sich die SPD nicht mehr kümmert. Zumindest nicht so, dass man aus eigener Stärke heraus auch einen eher schwachen Kanzler getrost ignorieren kann.

Von dem seit bald einem Jahr agierenden Team an der Spitze der NRW-SPD gehen kaum Impulse aus. Sowieso wirkt es mehr wie Wagenburg als starke Mannschaft, die da ihr Stammland zurückerobern will. Dabei liegen die sozialen Themen von Abstiegsangst, Armut und Integration auf der Straße. Nur die NRW-SPD schafft es nicht, dies auch mit Gesichtern zu verbinden, denen Menschen vertrauen.

Und so gewinnen am Ende andere: Die CDU könnte ihre Vorherrschaft auf Jahre betonieren, während die AfD in prekären Milieus Stimmen für ein Programm sammelt, das mit armenfeindlich noch freundlich umschrieben ist. Und in urbanen Räumen werden auch die Grünen weiterhin eine Macht bleiben. Die NRW-SPD liegt am Boden - und aus eigener Kraft wird sie so schnell nicht aufstehen.

Kommentar: Die NRW-SPD nach der Wahl WDR 5 Westblick - aktuell 10.06.2024 02:41 Min. Verfügbar bis 10.06.2025 WDR 5

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