Wenn es gegen Berlin geht, blasen die Ministerpräsidenten gern die Backen auf. Der Bund sei am Zug, müsse handeln, das Problem lösen, ist dann zu hören. Ganz gleich, ob es um Kraftwerksstrategien, Entbürokratisierung oder Migration geht. Und wie halten es die Länderchefs, wenn es um ihre ureigenen Aufgaben geht?
In dieser Woche wollen die Länder eine umfassende Reform für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk auf den Weg bringen: weniger Spartenkanäle, weniger Radiowellen, weniger Onlinetexte. Stattdessen mehr Kooperation der Anstalten und am liebsten auch keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Die Länder haben diesen Gestaltungsspielraum, denn Rundfunk ist in Deutschland Ländersache. Sie können politisch entscheiden, solange sie die grundgesetzlich geschützte Rundfunkfreiheit achten.
Ich kenne niemanden, der bezweifelt, dass nach vielen Jahrzehnten die Zeit gekommen ist, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, zu dem auch der WDR gehört, ein Update zu verpassen. Technologische und gesellschaftliche Veränderungen, neue Nutzungsgewohnheiten des Publikums - es gibt viele Gründe, eine Reform anzugehen.
Zuständig sind dafür ausschließlich die 16 Staatskanzleien von Kiel bis München. Die Ministerpräsidenten könnten also zeigen, dass sie handlungsfähig sind, dass der Föderalismus funktioniert. Doch es droht eine Blamage: Trotz jahrelanger Verhandlungen und Debatten, dem von viel Getöse begleiteten Auftritt eines eigens eingerichteten Zukunftsrates, laufen die auf ihre Eigenständigkeit bedachten Länder Gefahr, dass am Ende erneut ein oberstes Bundesorgan die Sache regeln muss, das Bundesverfassungsgericht.
Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe: Nachdem über Jahre rundfunkpolitisch nur der kleinste gemeinsame Nenner den Ton angab, bewegte sich die Rundfunkpolitik im Schneckentempo. Jetzt ist der Zeitdruck groß, auf den letzten Metern kommt die heiße Nadel zum Einsatz. Und es war von Anfang an sehr ehrgeizig, eine Strukturreform mit der Debatte über die Beitragshöhe zu verbinden.
Jetzt liegen Pläne auf dem Tisch, ohne dass die Länder in der Sache einig wären. Und mit manchem schaden sie sich nach meiner Überzeugung selbst: Etwa, wenn sie ARD, ZDF und Deutschlandradio Online-Beschränkungen auferlegen wollen.
Eigentlich haben die Länder ein Interesse daran, die regionale Berichterstattung der ARD-Häuser zu stärken. Denn das umfasst auch Berichte über die Landespolitik, egal ob in München, Mainz oder Düsseldorf. Und man kann es drehen und wenden, wie man will: Wenn die Menschen, jüngere zumal, sich nun einmal vorwiegend im Netz und Online informieren, dann sollte auch die ARD dort umfassend über Landespolitik berichten - wie auch über andere Themen, die die Menschen im ganzen Land bewegen.
Wenn wir das nur nachrangig tun dürfen, also nachdem in Radio und Fernsehen gesendet wurde, haben wir gewichtige Nachteile. Die Öffentlich-Rechtlichen bei der Aktualität im Netz massiv einzuschränken, soll die Zeitungsverleger schützen, aber das ist eine vage Hoffnung. Ein vitaler Föderalismus braucht einen medialen Resonanzraum für die politischen Fragen, die die Länderebene beschäftigen. Das ist unverzichtbar, wenn Länder als eigenständige politische Gebilde wahrgenommen werden wollen. Und es ist eine Urzuständigkeit des föderal organisierten Rundfunks. Sie sollte es auch im 21. Jahrhundert sein, mit zeitgemäßen Mitteln.
Politik müsse zeigen, dass sie die großen Aufgaben lösen könne, nur so gewinne sie Vertrauen zurück, sagen Ministerpräsidenten gern - und meinen den Bund. Daran ist nichts falsch. Es gilt aber auch für die Länder selbst.