Am Montagfrüh waren die Spitzenkandidaten aus NRW noch schnell in Berlin, um dort in den Gremien ihrer jeweiligen Bundespartei vorzusprechen. Es ist das übliche Ritual nach einer Landtagswahl. Zurück in NRW, trafen sich CDU, Grüne, SPD und FDP am Montagabend jeweils zur internen Lagebesprechung. Dem teils dramatischen Wahlergebnis entsprechend, fielen die Statements anschließend sehr unterschiedlich aus.
CDU: Wüst sprachlich noch im Wahlkampfmodus
Der CDU, die sich in einem Hotel in Neuss traf, war die Erleichterung über die doch gewonnene Wahl immer noch anzumerken. Es gab Umarmungen, Abklatscher, Standing Ovations für Ministerpräsident Hendrik Wüst. Außer über das unerwartet gute Wahlergebnis freuten sich am Montagabend viele offenbar auch darüber, ihren jeweiligen Wahlkreis gehalten zu haben: Nur zwei Wahlkreise in ganz NRW gingen der CDU verloren, sechs neue konnten die Christdemokraten gewinnen.
Beim anschließenden Pressestatement präsentierte sich Wahlsieger Hendrik Wüst lächelnd, sein Auftritt war aber kurz und knapp, seine Sätze formelhaft wie im Wahlkampf. Man habe beschlossen, "alle demokratischen Parteien im Landtag zu Gesprächen einzuladen", sagte Wüst.
Weitere Präferenzen ließ er sich nicht entlocken - schon gar nicht auf die Frage, ob eine Koalition mit den Grünen denkbar sei. Nur so viel: Er rechne mit "guten Gesprächen", und dazu gehöre es auch, dass man sich "ein Stück weit aufeinander einlässt".
Und dann wählte Wüst eine Formulierung, die sehr an die Statements der Grünen Landesvorsitzenden Mona Neubaur am Wahlabend erinnerte: Die CDU wolle ein "Zukunftsbündnis auf Augenhöhe, das Antworten auf die Herausforderungen dieser Zeit gibt". Neubaur hatte immer wieder von einer Regierung gesprochen, die "auf der Höhe der Zeit agiert". Zentrale Themen für die CDU seien die "Versöhnung von guten Industriearbeitsplätzen und Klimaschutz, beste Bildungschancen für unsere Kinder, innere Sicherheit und moderne Mobilität". Formeln, die jetzt mit Inhalten gefüllt werden müssen.
Auch auf die Frage nach dem bisherigen Koalitionspartner FDP gab Wüst sich schmallippig: Natürlich sei auch die FDP zu Gesprächen eingeladen, schließlich habe man gemeinsam fünf Jahre lang "gut und erfolgreich und vertrauensvoll dieses Land regiert". Das war's dann auch schon.
Grüne: "An uns führt kein Weg vorbei"
Auf ihrer Sitzung hätten Landesvorstand und Fraktionsvorstand einstimmig beschlossen, für Gespräche mit den demokratischen Parteien zur Verfügung zu stehen, sagte die Landesvorsitzende Mona Neubaur anschließend. "Wir wissen, dass es in jeder Konstellation anstrengende und intensive Gespräche werden", die Grünen rechneten mit "weiten Wegen, die sie "mitzugehen haben" werden.
Die Grünen hätten nicht nur das beste Wahlergebnis "aller Zeiten" bei einer Landtagswahl in NRW erreicht. Auch das Ziel, "dass keine Regierung an den Grünen vorbeiführt", sei geschafft, sagte Neubaur. Der Landesvorstand werde sich nun auf Gespräche mit demokratischen Parteien vorbereiten. Offenbar gebe es sowohl von CDU, als auch von der SPD Interesse an Gesprächen.
"Rote Linien" wollten auch die Grünen nicht ziehen, sagte Neubaur, wies aber auf die Umfragen hin, die gezeigt hatten, dass sich "ein erheblicher Teil der Wähler auch eine anderen Konstellation als schwarz-grün vorstellen" könne.
SPD würde auch Ampel wollen
In der SPD-Landesgeschäftsstelle in Düsseldorf herrschte triste Stimmung: Nur wenige Pressevertreter waren am Montagabend gekommen, um zu hören, was Thomas Kutschaty als gescheiterter Herausforderer zu sagen hatte. Generalsekretärin Nadia Lüders, sichtlich bemüht um ein dauerhaftes Lächeln, berichtete von "Standing Ovations" für ihren Spitzenkandidaten und einen "tollen Wahlkampf".
Das Ergebnis sei "ernüchternd", sagte daraufhin Kutschaty selber, dessen Mimik dem Ergebnis entsprach. Einen Grund für das schlechte Abschneiden der SPD sah Kutschaty in der geringen Wahlbeteiligung von rund 55 Prozent, die "erschreckend für eine Demokratie" sei. Die SPD habe am meisten "darunter gelitten", da viele ihrer ehemaligen Wähler ins Lager der Nichtwähler "abgeglitten" seien.
Ein weitere Grund machte er darin aus, dass landespolitische Themen derzeit nicht ganz oben auf der Agenda vieler Menschen in NRW stünden: Der Ukrainekrieg, die hohen Energiekosten, die Sorge um den Frieden - alles Themen, auf die die SPD so schnell "nicht die passenden Antworten" gehabt hätte.
Ob die SPD dennoch als Koalitionspartner in einer künftigen Regierung denkbar sei, ließ Kutschaty offen: Erstmal sei die CDU als Wahlsieger am Ball, über eine Regierungsbildung zu verhandeln. Die SPD werde aber auch der FDP und den Grünen Gespräche anbieten. "Aber das ist erst die zweite Option".
FDP sieht sich in der Opposition: "Es gibt Schwarz-Grün"
Bei der FDP klaffen tiefe Wunden, die jetzt geleckt werden müssen. Rein theoretisch hätten die Liberalen noch eine Chance, in der Regierung zu bleiben: In einer Ampel-Koalition. Doch dafür, das hatte FDP-Chef Joachim-Stamp am Montag schon im WDR anklingen lassen, sei die FDP nicht zu haben.
Stamp rechnet sowieso nicht mit einem Koalitionsangebot: "Woher soll das kommen? Kann ich mir nicht vorstellen", sagte der amtierende Integrationsminister. "Es gibt zwei Wahlgewinner, die auch klar legitimiert sind miteinander zu koalieren." Er rechne daher mit einer Landesregierung aus CDU und Grünen. "Ja, es gibt auf jeden Fall Schwarz-Grün, das ist völlig klar", so Stamp.
Zur Causa Stamp, der die desaströse Schlappe der FDP sichtlich angeschlagen auf seine Kappe genommen hatte, blieben Fragen offen. Doch es gibt Rückendeckung: Joachim Stamp sei ein "starker Minister" gewesen, sagte der Generalsekretär der NRW-FDP, Moritz Körner, "er hat glaub' ich auch Unterstützung". Nun werde die FDP beraten, wie die "Teamaufstellung" der FDP künftig aussehe.
Über dieses Thema berichtet unter anderem auch das Morgenecho auf WDR 5 am 17.05. ab 06:05 Uhr.