Das NRW-Wirtschaftsministerium, das Bundes-Wirtschaftsministerium und RWE haben sich auf einen vorzeitigen Kohleausstieg in NRW geeinigt. Am Dienstag stellten die Beteiligten Eckpunkte der Vereinbarung vor. Sie sieht im Kern vor, dass bereits 2030, also acht Jahre früher als bislang geplant, die Braunkohle-Förderung in NRW endet.
Wegen der aktuellen Energieversorgungskrise sollen aber zwei 600-Megawatt-Blöcke, die eigentlich Ende des Jahres vom Netz gehen sollten, noch bis 2024 weiterlaufen und Erdgas auf dem Strommarkt ersetzen. Durch die Gesamtvereinbarung würden 280 Millionen Tonnen CO2 eingespart werden, teilte das NRW-Wirtschaftsministerium mit.
Investitionen in Erneuerbare
Teil der Vereinbarung ist die Zusicherung von RWE, verstärkt in erneuerbare Energien zu investieren. Der RWE-Vorstandsvorsitzende Markus Krebber kündigte an, sein Konzern werde ein Gigawatt Strom mit Wind und Solarkraft erzeugen - und zwar hauptsächlich im Rheinischen Revier. Zudem will RWE in neue Gaskraftwerke investieren, die künftig auch mit Wasserstoff betrieben werden können.
Für das NRW-Wirtschaftsministerium ist die Vereinbarung "ein Meilenstein für den Klimaschutz in Deutschland und Nordrhein-Westfalen". Man sei zuversichtlich, dass man damit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klima-Abkommens "ein gewaltiges Stück näher" rücke. Auch Krebber betonte, die Vereinbarung bringe "RWE auf einen 1,5-Grad-Pfad".
Das Ende von Lützerath
Die Siedlung Lützerath bei Erkelenz wird jedoch wie geplant abgebaggert. Der Strom aus der Lützerather Braunkohle werde gebraucht. Das sei angesichts der derzeitigen Energiekrise unumgänglich, sagten sowohl NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) als auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Eine insbesondere bei der grünen Basis umstrittene Entscheidung. Das NRW-Wirtschaftsministerium argumentiert, unabhängige Gutachten im Auftrag der Landesregierung hätten bestätigt, "ein Erhalt der von der Ursprungseinwohnerschaft komplett verlassenen Siedlung Lützerath" sei nicht möglich: Ansonsten könnten die für die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit in den kommenden acht Jahren notwendige Fördermenge nicht erreicht, die Stabilität des Tagebaus nicht gewährleistet und die notwendigen Rekultivierungen nicht durchgeführt werden.
Zudem betonte Neubaur, dass die Rechtslage klar sei - RWE habe alle notwendigen Genehmigungen, die Flächen jederzeit zu nutzen: "Auch wenn ich mir es anders gewünscht hätte: Wir müssen anerkennen, dass die Realität eine andere ist und diese Siedlung in Anspruch genommen werden muss."
Kritik von Grüner Jugend und Klimaaktivisten
Gegenwind gibt es für Neubaur von der Jugendorganisation ihrer Partei: Rênas Sahin, Landessprecher der Grünen Jugend kritisierte, die Entscheidung über Lützerath "zerstört den sozialen Frieden in der Region und ist klimapolitisch fatal". Die Kohle unter Lützerath werde nicht gebraucht. "Dass die Landesregierung hier den kurzfristigen Profitinteressen von RWE folgt, ist für uns unverständlich." Die Grüne Jugend werde sich den Protesten gegen das Abbaggern von Lützerath anschließen.
Deutliche Kritik kommt auch von Klimaaktivisten. Ronni Zeplin, Sprecherin von "Lützerath bleibt", sagt im WDR: "Die Grünen beweisen damit, dass sie Lützerath abreißen, dass sie keine Politik des Klimaschutzes machen, sondern, dass sie hier weiter Profite für RWE absichern."
Klarheit für die anderen Dörfer
Zugleich wurde Klarheit für die anderen Dörfer geschaffen, die vom Braunkohle-Tagebau bedroht waren: Keyenberg, Kuckum, Oberwestrich, Unterwestrich und Berverath bleiben ebenso erhalten wie die drei landwirtschaftlichen Betriebe Eggerather Hof, Roitzerhof und Weyerhof. Diese waren bislang für 2030 zur Umsiedlung vorgesehen. "Es wird dort keine Umsiedlungen mehr gegen den Willen der Bewohnerinnen und Bewohner mehr geben", versicherte Neubaur.
In einer ersten Stellungnahme von Kommunen im Rheinischen Revier heißt es, man trage den Kohleausstieg im Jahr 2030 mit. Die Bürgermeister, unter anderem aus Elsdorf, Bedburg und Bergheim, weisen aber auch darauf hin, dass tausende weitere Arbeitsplätze in der Braunkohle nun acht Jahre früher wegfallen würden.
Sie fordern deshalb von Bund und Land mehr Hilfe beim Strukturwandel. Fördergelder müssten nicht nur bis 2030, sondern auch in den Jahren darüber hinaus zur Verfügung gestellt werden, fordert der Sprecher der Revierstädte, Elsdorfs Bürgermeister Andreas Heller.
Die Folgen für die RWE-Mitarbeitenden
Es sei eine Entscheidung "mit großer Tragweite" für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, erklärte RWE-Chef Krebber. Wegen der Ausweitung der Produktion 2023 und 2024 müssten diejenigen, die vorhatten, in den Ruhestand zu gehen, weiter arbeiten. "Am langen Ende", also 2030, würden jedoch "deutlich mehr Mitarbeiter freigesetzt". Krebber sicherte "klare, sozialverträgliche Lösungen" zu. Und die Regelungen, die bisher gegolten haben, würden weiter gelten. "Niemand fällt ins Bergfreie."
Hambacher Forst geht in öffentlichen Besitz
Die NRW-Grünen teilten darüber hinaus mit, dass RWE sich mit der Vereinbarung bereit erkläre, "den Hambacher Wald in öffentlichen Besitz zu überführen". Der Wald solle wichtiger Bestandteil eines gesamtheitlichen Biotopverbundes werden. "Damit kann auch an dieser Stelle im Rheinischen Revier endlich Ruhe einkehren", hoffen die NRW-Grünen.
Die CDU-FDP-Regierung unter NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte den Wald mit einem umstrittenen Polizeieinsatz 2018 räumen lassen. Dort hatten Aktivistinnen und Aktivisten mehrere Baumhäuser errichtet. Das Verwaltungsgericht Köln hatte die Räumung nachträglich für rechtswidrig erklärt.
SPD mahnt Anpassung der Wasserstoff-Strategie an
Der SPD-Landesvorsitzende und Fraktionschef im Landtag, Thomas Kutschaty, sprach von einer "Absichtserklärung mit enormer Tragweite" für NRW. Die Landesregierung sei nun gefordert, die Wasserstoff-Strategie des Landes weiterzuentwickeln. Insbesondere der Ausbau des Wasserstoff-Transportnetzes sei nun nötig.
Auch RWE-Chef Markus Krebber betonte, die Voraussetzung für die Investition in wasserstofffähige Gaskraftwerke sei die "Klarheit über den Ausbau des Wasserstoff-Netzes".
FDP setzt in der Krise auf Braunkohle
Für den FDP-Fraktionsvorsitzenden im NRW-Landtag, Henning Höne, ist die Braunkohle in NRW "der einzige grundlastfähige Energieträger mit einer vollständigen lokalen Wertschöpfung". Es sei unklar, "wie die prognostizierte riesige Stromlücke von mindestens 23 Gigawatt nach dem geplanten Kohleausstieg geschlossen werden soll".
Lob vom Landesverband Erneuerbare Energien
Der Unternehmensverband der Erneuerbaren Energien (LEE) in NRW begrüßte die Vereinbarung mit RWE. Für die Energieversorgungssicherheit müsse, auch wenn dies "schmerzhaft für den Klimaschutz ist", zeitweise zusätzlich mehr Kohle genutzt werden, heißt es in einer Mitteilung des Verbands.
Kohleausstieg im Westen acht Jahre früher
Bislang vereinbart war ein Braunkohle-Ausstieg bis 2038. Das Vorziehen auf 2030 hatten sich sowohl die Ampel-Koalition im Bund als auch Schwarz-Grün in NRW zum Ziel gesetzt. Die Co-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge, erklärte, das Vorziehen des Ausstiegs aus der Braunkohle im Osten sei der nächste Schritt.