Die Braunkohle unter dem Dorf Lützerath (Kreis Heinsberg) wird nicht benötigt, um die Energieversorgung in Deutschland sicherzustellen. Das ist das Ergebnis einer Studie, die mehrere deutsche Forschungsinstitute verfasst haben.
Genehmigte Kohlemenge reicht auch für pessimistische Szenarien
Die Untersuchung wurde als Kurz-Studie vor dem Hintergrund der aktuellen Gaskrise verfasst. Um diese zu bewältigen, sollen unter anderem Kohlekraftwerke länger am Netz bleiben oder reaktiviert werden. Daher wird in den kommenden Monaten und Jahren ein größerer Bedarf an Kohle erwartet. In ihrem 18-seitigen Papier haben die Autorinnen und Autoren die Konsequenzen dieser Gemengelage für den Förderbedarf im Rheinischen Revier berechnet.
Das Ergebnis: Selbst wenn in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts unwahrscheinlich viel Kohle verfeuert wird, reichen die bereits genehmigten Mengen im aktuell geltenden Abbaubereich des RWE-Tagebaukomplexes dafür aus. "Eine Inanspruchnahme von Lützerath ist energiewirtschaftlich nicht notwendig und klimapolitisch nicht zu rechtfertigen", schreiben die Autorinnen und Autoren in ihrem Fazit.
Kohleausstieg im Jahr 2030 als Frist für Berechnungen
Das Autorenteam besteht aus Wissenschaftlern der Europa-Universität Flensburg, der Technischen Universität Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW). Zusammengeschlossen haben sie sich als "CoalExit Reasearch Group".
Bei ihrer Analyse haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler neben dem erwarteten Mehrbedarf an Kohle auch berücksichtigt, dass die Bundesregierung in ihrem Osterpaket den beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien beschlossen hat. Auch ist in den Prognosen der vorgezogene Kohleausstieg für das Jahr 2030 berücksichtigt. Diesen hatten CDU und Grüne in Nordrhein-Westfalen in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben.
Forderungen an Energieministerin Neubaur (Grüne)
Demnach besteht bis zum Ende der Kohleverstromung im Jahr 2030 ein maximaler Kohlebedarf von 271 Millionen Tonnen Braunkohle aus dem RWE-Tagebau im Rheinischen Revier. Dem gegenüber stehen 300 Millionen Tonnen, die in den bereits genehmigten Tagebeaubereichen Hambach und Garzweiler II förderfähig sind – ohne dabei auf die Kohlereserven unter Lützerath zurückgreifen zu müssen.
Die Organisationen Greenpeace, BUND, Klima-Allianz Deutschland und "Alle Dörfer bleiben" fordern nun Konsequenzen von der schwarz-grünen Landesregierung: Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) solle mit RWE den Erhalt von Lützerath "vereinbaren" und den RWE-Antrag auf neue Abbauflächen ablehnen.
Umweltorganisationen: "Keine vorzeitigen Fakten" durch RWE
Bis zur erwarteten, neuen Leitentscheidung zum Kohleausstieg solle außerdem ein Moratorium gelten, damit RWE "keine vorzeitigen Fakten schaffe", schreiben die Interessenverbände in einer Pressemitteilung. Ein neuer Hauptbetriebsplan für den Tagebau dürfe "keinen weiteren Meter Lebensgrundlage und Heimat zerstören", sagte der Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen (IKG), Klaus Breyer. Er ist zugleich Sprecher der Klima-Allianz Deutschland.
Neubaurs Energieministerium reagierte am Donnerstag auf die Studie und die daraus abgeleiteten Forderungen. "Die schwarz-grüne Landesregierung wird das Kapitel Braunkohle für Nordrhein-Westfalen noch dieses Jahrzehnt endgültig beenden. Am Kohleausstieg bis 2030 wird festgehalten", hieß es in einer Mitteilung. Die Landesregierung führe derzeit Gespräche mit RWE zur Frage der Flächennutzung, wobei das Ziel sei, "dass der weitere Flächenbedarf auf ein Minimum begrenzt wird".
Das weitere Vorgehen sei auch von der Kohlemenge abhängig, die zur Sicherung der Energieversorgung nötig ist. "Die heute vorgelegte Studie der CoalExit Research Group wird dabei ebenso betrachtet wie andere, unabhängige Gutachten und Daten, beispielsweise aus dem zweiten Stresstest der Bundesregierung für die Stromversorgung", so das Ministerium.
Über dieses Thema berichtet der WDR Hörfunk in WDR am 18.08.2022 im Westblick auf WDR 5 ab 17.05 Uhr.