Nach den Übergriffen von Silvester steht die Polizei in der Kritik. Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie absichtlich Informationen über die Nationalität von Tatverdächtigen verschwiegen hat. Denn Informationen über die Herkunft der Täter wurden erst Tage nach den Vorfällen bekannt gegeben.
Rein formal ist dieses Vorgehen richtig. Es entspricht den "Leitlinien zum Schutz nationaler Minderheiten vor Diskriminierungen", die seit 2008 gelten. Rückenwind bekommen Kritiker der Informationspolitik der Polizei allerdings auch von Polizeibeamten. Der Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, fordert in einem Interview mit der WAZ, man solle diese Regelungen angesichts der Ereignisse in Köln noch einmal überdenken. "Wir sollten deutlicher sagen, woher die Täter kommen." Das sei auch wichtig, weil dann niemand behaupten kann, dass der Öffentlichkeit etwas vorgespielt werde.
Täterherkunft "proaktiv nennen"
Auch Arnold Plickert von der Gewerkschaft der Polizei zu. So habe es sowohl in Köln als auch in Düsseldorf eine Ermittlungsgruppe gegeben, die sich mit nordafrikanischen Tätergruppen beschäftigt hat – schon lange vor der Silvesternacht. "Darüber muss auch die Bevölkerung informiert werden," so Plickert, "weil ich muss als Bevölkerung wissen, wo halten die Leute sich auf, wo begehen sie ihre Taten und wo muss ich auch vorsichtig sein. Und das hat dann nichts mehr mit Minderheiten Schutz zu tun, diese Dinge müssen proaktiv genannt werden."
Leitlinien zum Schutz vor Diskriminierung
Die Praxis sieht bislang anders aus - in den "Leitlinien zum Schutz nationaler Minderheiten vor Diskriminierungen" heißt es: "Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird (…) in der Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhaltes oder für die Herstellung eines sachlichen Bezuges zwingend erforderlich ist." Die Polizei soll also vermeiden, dass Vorurteile geschürt und Zuwanderergruppen diskriminiert werden, weil sie besonders oft in Zusammenhang mit Straftaten erwähnt werden.
Ausnahme Fahndung
In der Praxis bedeutet das, dass die Polizei in ihren Pressemitteilungen die Nationalität von ausländischen Tätern oder Tatverdächtigen in den meisten Fällen nicht nennt. Aber es gibt einige Ausnahmen, der klassische Fall ist die Fahndung. Sucht die Polizei einen Täter, dessen Staatsangehörigkeit sie kennt, dann teilt sie das der Öffentlichkeit auch mit. Denn wenn bekannt ist, dass der Tatverdächtige Italiener, Bulgare oder Pole ist, könnten Zeugen bei der Fahndung entscheidende Hinweise geben, die zu seiner Ergreifung führen.
Herkunftsregion statt Nationalität
Handelt es sich um größere Tätergruppen, die einer Straftat verdächtigt werden, nennt die Polizei meist nicht direkt die Nationalität der Täter, sondern nur die Region, aus der sie stammen. So sprach die Düsseldorfer Polizei nach einer Razzia im Dezember von einer Tätergruppe "vom Balkan". Die Nationalität der Täter wird auch mitgeteilt, wenn diese in direktem Zusammenhang mit der Art der Straftat steht. Beispiel: Trickbetrüger aus Rumänien haben NRW–weit an Autobahnraststätten immer wieder versucht, wertlosen Schmuck für viel Geld an ahnungslose Autofahrer zu verkaufen. Mit dem Hinweis auf die Nationalität der Trickbetrüger will die Polizei erreichen, dass potenzielle Opfer vorsichtiger sind.