Während diese Woche die Hinterbliebenen der Familie Zhilova in Solingen für ihre toten Verwandten beten und für Aufklärung demonstrieren, zeigen Recherchen des WDR-Magazins Westpol, dass es noch weitere, bisher unbekannte, Hinweise auf ein mögliches rechtsextremes Motiv des Angeklagten gibt.
Der Solinger Daniel S. hat im Prozess vor dem Wuppertaler Landgericht bereits gestanden, dass er das Haus in der Nacht vom 24. auf den 25. März 2024 in Brand gesteckt hat. Dort lebten mehrheitlich Menschen mit Migrationsgeschichte. Katya, Kancho, Galia und Emily Zhilova starben in den Flammen, 21 weitere Menschen wurden teils schwerst verletzt.
Bereits kurz nach der Brandstiftung hatte die Wuppertaler Staatsanwaltschaft erklärt, bisher keine Anhaltspunkte für ein rechtsextremes Motiv gefunden zu haben.
Späte Auswertung von digitalen Spuren
Laut der Nebenklageanwältin Seda Başay-Yıldız, die zwei Überlebende vertritt, fanden sich aber in Online-Profilen des Angeklagten Suchverläufe, die Indizien für dessen Gesinnung liefern könnten.
Während des seit Januar laufenden Prozesses waren erst auf Druck der Nebenklage digitale Spuren von Festplatten und USB-Sticks, die in der Wohnung des Angeklagten gefunden worden waren, ausgewertet worden. Die förderten 166 NS-verharmlosende oder rassistische Darstellungen und Hitlerbilder zu Tage. Anwältin Başay-Yıldız äußerte gegenüber dem WDR deutliche Kritik an den bisherigen Ermittlungen: "Bei einem Brandanschlag, wo überwiegend Migranten wohnen und vier Menschen tatsächlich gestorben sind und weitere schwer verletzt wurden, hätte ich eigentlich erwartet, dass man die Datenträger vollumfänglich auswertet."
Nebenklägerin findet neue Indizien
Doch laut Başay-Yıldız ist selbst diese erste Auswertung unvollständig, denn sie habe weitere rechtsextreme Inhalte auf den Datenträgern entdeckt. Zudem ergaben ihre Recherchen weitere Indizien. So soll der Angeklagte beispielsweise Wehrmachtslieder gehört und wenige Tage vor der Brandstiftung online nach "Mord Strafrecht" gesucht haben. Ein mögliches Indiz dafür, dass er die Bewohner des Mehrfamilienhauses wirklich töten wollte.
Recherchen des WDR zeigen weiter, dass sich der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin Chats schrieb, die im Prozess verlesen wurden und in denen von "Kanacken" die Rede war. Sie wünschte sich, die würden sich mit "Polenböllern" "wegfetzen".
Auf Anfrage des WDR wollte die Staatsanwaltschaft Wuppertal sich nicht zum laufenden Gerichtsverfahren äußern, betonte aber, es sei immer nur davon die Rede gewesen, dass keine Anhaltspunkte für ein mögliches Motiv gefunden worden waren.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte dem WDR, dass Polizei und Justiz allgemein gut daran täten, "sorgfältig zu untersuchen und dann erst ein Urteil abzugeben".
Prozess zum Brandanschlag in Solingen. WDR 5 Westblick - aktuell. 20.03.2025. 04:33 Min.. Verfügbar bis 20.03.2026. WDR 5.
Neue Tätertypen
Laut dem Rechtsextremismus-Experten Florian Hartleb von der Universität Passau gibt es in der rechtsradikalen Szene einen neuen Tätertypus, der virtuell vernetzt ist und sich dort auch radikalisiert. Diesem müssten die Ermittlungsbehörden mehr Aufmerksamkeit schenken.
Aufklärung über das Motiv hält Hartleb zudem für essentiell, denn "die Opferfamilien verdienen Aufklärung, auch auf die Frage, wie schwer ist eigentlich der Rassismus, wie groß ist der Hass auf andere ethnische Gruppen". Dabei gehe es auch um die Frage der Erinnerungskultur.
Überlebende hoffen auf Aufklärung
So sehen das auch die Überlebenden und Hinterbliebenen des Brandanschlags. "Ich erwarte, dass der Prozess, egal wie lange es dauert, zu Gerechtigkeit führt", sagt Nihat Kostadinchev dem WDR. Der 29-Jährige überlebte mit schwersten Verletzungen. "Für mich war es eine rassistische Tat", sagt er weiter.
Die Verhandlung wird am 4. April fortgesetzt. Bisher ist noch unklar, wann mit einem Urteil zu rechnen ist, denn es dürften noch einige Beweisanträge der Nebenklage auf das Gericht zukommen.
Über dieses Thema berichten wir auch in der Sendung "Westpol" im WDR-Fernsehen am 30.03.2025 um 19:30 Uhr.
Unsere Quellen:
- eigene Recherchen
- Rechtsextremismus-Experte Hartleb
- Staatsanwaltschaft Wuppertal
- Innenministerium NRW