Der 9. November ist ein Tag des Gedenkens an den Terror gegen Juden in der Reichspogromnacht vor 85 Jahren in Nazi-Deutschland. In diesem Jahr gelten an diesem Gedenktag verschärfte Sicherheitsmaßnahmen angesichts des Nahost-Kriegs. Ohnehin ist die Sicherheitslage seit dem Hamas-Terrorangriff auf Israel auch in NRW angespannt.
Seit dem 7. Oktober wurden laut Innenminister Herbert Reul (CDU) 400 Straftaten mit Bezug zum Krieg in Nahost verzeichnet. Dabei gehe es vor allem um Sachbeschädigungen, Volksverhetzungen sowie Verletzungen von Flaggen und ausländischen Hoheitsabzeichen, so der Innenminister am Donnerstag. Es bestehe "eine hohe abstrakte Gefahr", insbesondere für jüdische Einrichtungen.
"Unsere Polizei ist sich der geschichtlichen Verantwortung bewusst, die sich aus dem 9. November für die Sicherheit unserer jüdischen Mitmenschen, für Synagogen und andere jüdische Einrichtungen ergibt", sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) vor dem Gedenktag. "Wir tun alles dafür, dass die Reichspogromnacht nur eine Erinnerung bleibt. Solche Kapitel dunkler Geschichte dürfen sich niemals wiederholen."
Schutzmaßnahmen nochmal verstärkt
Michael Mertens, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, sagte dem WDR: "Der 9. November ist ein besonderer Tag. Er macht deutlich, wie wichtig der Schutz jüdischen Lebens ist. Dieser Schutz hatte immer eine große Bedeutung, aber ist jetzt nochmal dringlicher geworden." Objektschutz vor jüdischen Einrichtungen sei von herausragender Bedeutung, so Mertens.
"Die Sicherheit unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger sowie jüdischer Einrichtungen hat für uns höchste Priorität", sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. Die Polizeibehörden bewerteten die Sicherheitslage täglich neu und passten ihre Maßnahmen dann bei Bedarf eigenverantwortlich an.
Warnung vor erhöhter Terrorgefahr
Der Terrorismus-Experte Peter Neumann warnte angesichts des Nahost-Kriegs vor einer neuen Terrorwelle in Deutschland und Europa. Die Israel-Palästina-Frage sei für viele gewaltbereite Islamisten "die Mutter aller Konflikte", sagte der Wissenschaftler des Londoner King's College am Mittwoch im Deutschlandfunk. Laut Neumann werden im Westen lebende Islamisten vor diesem Hintergrund verstärkt aktiv.
GdP-Landeschef Mertens sagte: "Die Sicherheitslage hat sich seit dem 7. Oktober deutlich verschärft. Die Anschlagsgefahr hat zugenommen." Wenn etwas am 9. November passieren sollte, "hätte das nochmal eine andere Wirkung". Generell werde die Lage aber insgesamt in den nächsten Wochen und Monaten angespannt bleiben – "auch über den 9. November hinaus". Vor allem die Bereitschaftspolizei in NRW sei "angesichts der Lage hart an oder sogar über der Belastungsgrenze", betonte der Polizeigewerkschafter.
Mehr Geld für Schutz von Juden
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne) legten ein Zehn-Punkte-Papier gegen Antisemitismus vor. So sollen Mittel für bauliche Sicherungsmaßnahmen an Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen um 11,5 Millionen Euro aufgestockt werden. Das Land startet zudem eine Kampagne gegen Antisemitismus. Bildungs- und Wirtschafts-Kooperation mit Israel soll ausgebaut werden.
Ein weiterer Punkt des Plans: Um antisemitische Codes bei Demonstrationen und Kundgebungen klarer zu erkennen und "mit voller Härte" zu verfolgen, will das Land ein entsprechendes Fortbildungsangebot für die Justiz schaffen. In den letzten Wochen war der islamistische Terror der Hamas gegen Israel bei Pro-Palästina-Demonstrationen auch in NRW teils relativiert oder sogar gefeiert worden.
Jüdinnen und Juden in Deutschland fürchten um ihre Sicherheit. Die NRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine Leutheusser-Schnarrenberger berichtete bei der PK mit Wüst von Juden, die teils den Gang in die Synagoge meiden oder Angst haben, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Leutheusser-Schnarrenberger nannte die Zahl von über 380 Verfahren wegen antisemitischen Vorfällen allein in NRW in den letzten vier Wochen: von Volksverhetzung, Zerreißen von Israel-Fahnen bis hin zu Gewaltdelikten.
Jüdische Studenten fühlen sich an Unis "unwohl"
Im Wissenschaftsausschuss des Landtags war am Mittwoch die Lage von Jüdinnen und Juden an den Hochschulen in NRW Thema. Rückmeldungen von jüdischen Studierenden zeigten, dass sich viele von ihnen "unwohl fühlen", sagte Nicole Pastuhoff vom Jüdischen Studierendenverband NRW. Der Terror der Hamas werde von Mitstudenten teilweise verherrlicht. Pastuhoff kritisierte, dass es keine Anlaufstelle für antisemitische Vorfälle an Hochschulen gebe.
Im Landtag zeigt eine Bilderwand Fotos der über 200 Menschen, die in Israel von der Hamas in den Gazastreifen entführt wurden. Am Donnerstag findet im Landtag eine Gedenkstunde an die Opfer der judenfeindlichen Pogrome von 1938 statt. Das Erinnern dürfte in diesem Jahr ganz im Zeichen des aktuellen Terrors gegen Juden stehen.