Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) "Brückendesaster und Infrastrukturstau" soll vorwiegend die Vorgänge rund um die plötzliche Vollsperrung der maroden Rahmedetalbrücke aufklären. Folgt man den Darstellungen der SPD, dann verspielt der Ausschuss jedoch die historische Chance, der wohl erste PUA in der NRW-Landesgeschichte zu sein, bei dem nicht um die Herausgabe von Akten gestritten wird.
Generell lässt sich sagen: Je prominenter diejenigen sind, die potenziell Verantwortung tragen, desto strittiger ist die Aktenherausgabe durch die Regierung.
Erinnert sei an den PUA zur Kölner Silvesternacht 2016: Die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wählte bei der Aktenherausgabe die Verweigerungs-Taktik und argumentierte mit dem "Arkanbereich" der Landesregierung. Eine sperrige Formel, die damals plötzlich den aktiven Wortschatz aller Berichterstattenden in Düsseldorf bereicherte. Dahinter steckt schlicht ein geschützter Bereich der Regierung, der die Öffentlichkeit nichts angehe.
Der heutige Verkehrsminister Krischer (l.) und sein Vorgänger Wüst
Beim aktuellen PUA III geht es auch um den damaligen Verkehrsminister, der heute als Ministerpräsident die Regierung anführt, also um Hendrik Wüst (CDU).
2023 hat sich wohl die Landesregierung entschieden, mit deutlich feinerem Florett zu fechten als 2016. Keine Verweigerung, sondern ein für die Opposition nervenzehrendes Hinhalten und Erschweren der Arbeit, so scheint es. Konkret geht es um diese Vorwürfe:
100 GB Akten waren vom Server verschwunden
Gordan Dudas, SPD-Obmann im Brücken-PUA, beklagt sich jetzt in einem Brief an den Ausschuss-Vorsitzenden Stefan Engstfeld (Grüne): "Mit großer Besorgnis und Verwunderung" habe er zur Kenntnis genommen, "dass große, bereits übersandte Akten der Landesregierung wieder vom Server heruntergenommen oder dem Ausschuss nicht übergeben worden sind". Das Schreiben liegt dem WDR vor.
Das Datenpaket soll einen Umfang von 100 Gigabyte (GB) haben, laut Dudas rund die Hälfte der bislang durch das Verkehrsministerium übermittelten Akten.
Vorwurf der Verzögerung
Als Begründung sei den Obleuten in einer Sitzung mitgeteilt worden, dass nachträglich dem Ministerium aufgefallen sei, dass die Aktenlieferung "unter Umständen vertraulich einzustufende Unterlagen enthalte". Inzwischen hat die Landesregierung das 100-GB-Paket offenbar wieder auf den betreffenden Server geladen. Dass dem Ausschuss nun sämtliche relevanten Akten vorliegen, hat sie aber noch immer nicht mit der erforderlichen Vollständigkeitserklärung bescheinigt.
Dudas wirft der Regierung Verzögerung und mangelnden Aufklärungswillen vor: "Das Parlament läuft den Akten immer noch hinterher, ständig kommen neue Hindernisse oder konstruierte rechtliche Einwände."
Wie gut lässt sich mit den Daten arbeiten?
Gordan Dudas (SPD)
Dudas erhebt noch weitere Vorwürfe. Dabei geht es um die Frage, ob eingescannte PDFs so aufbereitet werden, dass sie nach Stichworten durchsuchbar sind.
Für Nerds: Es geht um die OCR-Fähigkeit, die Abkürzung steht für "Optical Character Recognition". Denn eingescannte Dokumente sind zunächst lediglich Bilddateien - nur, wenn sie entsprechend aufbereitet sind, können sie wie Text zur Recherche verwendet und durchsucht werden. Bei Datenpaketen von 100 GB ist dies, wenn Parlamentarier ernsthaft mit den Akten arbeiten sollen, eigentlich zwingend notwendig. Dudas spricht von "der nötigen Durchdringungstiefe".
Wer macht was, um Daten zugänglich zu machen?
Dudas klagt in seinem Brief an den Ausschuss-Vorsitzenden Engstfeld: "Weiterhin haben wir mit großer Verwunderung zur Kenntnis genommen, dass eine weitere Verarbeitung der Dateien in OCR-fähige Formate durch die Landtagsverwaltung mindestens weitere sechs Monate in Anspruch nehmen soll, für den Fall einer möglichen Lieferung aus dem Bund seien auch neun Monate oder mehr möglich."
Zudem stößt dem Sozialdemokraten bitter auf, dass nicht die Landesregierung die Daten OCR-fähig mache, sondern sich diese Aufgabe nun mit der Landtagsverwaltung teilen will. Für Dudas eine unzulässige Vermischung der beiden Bereiche Legislative und Exekutive - also von Parlament und Regierung.
Dudas' Forderung zur Lösung des Problems
Die finale Schlussfolgerung des Abgeordneten Dudas klingt angesichts der geschilderten Probleme zwar nachvollziehbar - wäre aber ein Armutszeugnis in Zeiten der Digitalisierung: Er fordert "mit sofortiger Wirkung alle Akten in Papierform vorzulegen und einen Dienstleister zu beauftragen, diese Akten zu digitalisieren".
Am Montag beginne die Beweisaufnahme mit wichtigen Zeugen, betont Dudas, doch der Untersuchungsausschuss verfüge "auch nach rund sechs Monaten nicht über die Akten, die ihm nach den Beweisbeschlüssen vom 04. Mai 2023 zustehen."
Eine Verzögerung von weiteren Monaten sei nicht hinnehmbar.
Neubaustart Talbrücke Rahmede
Aktuelle Stunde. 05.10.2023. Verfügbar bis 05.10.2025. WDR. Von Claudia Roelvinck.