Herbert Reul bleibt sich treu. Seit fast sieben Jahren nimmt der CDU-Mann an der Spitze des Innenministeriums kein Blatt vor den Mund. Klartext reden, das ist sein Markenzeichen. Dabei ist er auch schon mal übers Ziel hinausgeschossen. Aber Reul hat sich zu einer festen Größe in der Landespolitik gemacht, für einen Fachminister ist er ungewohnt populär. Auch seine Partei weiß, was sie an ihm hat.
Jetzt wagt er sich weit aufs Wasser. Anstatt auf die offizielle Vorstellung der polizeilichen Kriminalstatistik zu warten, geht er vorab von sich aus an die Öffentlichkeit. „Wir müssen über Ausländerkriminalität sprechen“, sagt er. Denn die Zahlen sind deutlich. Nichtdeutsche Tatverdächtige, so weist es die Statistik aus, sind überproportional vertreten.
Das ist nicht neu, aber die Zahlen sind gestiegen. Bei der Gewaltkriminalität sind 40 Prozent der Tatverdächtigen inzwischen Nichtdeutsche. Bei Taschendiebstahl haben vier von fünf Tatverdächtigen keinen deutschen Pass. Insgesamt ist jeder Dritte Tatverdächtige in NRW kein Deutscher.
Natürlich hat jede Statistik ihre Tücken. Zahlen lassen sich deuten, ohne die richtige Bezugsgröße endet man schnell im arithmetischen Irrgarten, nicht jede Parallelität ist eine Kausalität. Die Gesellschaft verändert sich, Zahlen drücken das oft nur unzureichend aus. Auch das ist alles nicht neu.
Kommunikativer Wellenbrecher?
Wer die richtigen Schlüsse aus all den Zahlenreihen und Balkendiagrammen ziehen will, braucht Zeit und Geduld. Beides ist in der aufgeheizten öffentliche Debatte aber akute Mangelware. Im Überangebot vorhanden ist allein der Wille, Zahlen für die eigene Zwecke einzuspannen.
Reul versucht sich jetzt als Wellenbrecher. Sein Kalkül: Serviert er die unangenehmen Wahrheiten vorab, ist die Aufregung bereits abgeebbt, wenn die offizielle Krimianalstatistik im April folgt. Ob das gutgeht, ist offen. Die SPD ist verärgert über das Vorpreschen, der grüne Koalitionspartner windet sich. Die AfD haut auf die Pauke. Aber Reul wäre nicht Reul, hätte er das nicht einkalkuliert.
Zu den politischen Lebensweisheiten des Ministers, die er gern öffentlich vorträgt, gehört auch der Satz, dass Politik die Probleme der Menschen nicht nur benennen, sondern lösen müsse. Wer wollte widersprechen? Selbst ein Mann des klaren Wortes wird sich am Ende an seinen Taten messen lassen müssen.