Der zuletzt boomende Ausbau der Solarenergie in Nordrhein-Westfalen hat seit Jahresbeginn ein wenig an Tempo verloren. Das geht aus dem Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur hervor, das der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) hat auswerten lassen.
Tempo geht um sieben Prozent zurück
Demnach sind bis zum Stichtag 30. April 2024 in NRW rund 50.000 Solaranlagen mit einer Leistung von 596 Megawatt (MW) neu in Betrieb gegangen. Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es mehr: 67.000 Anlagen mit über 643 MW. Das Tempo der neu installierten Leistung ist somit um rund sieben Prozent zurückgegangen. Die Zahlen für dieses Jahr sind vorläufig, sie können sich durch Nachmeldungen noch geringfügig verändern.
2023 war ein absolutes Rekordjahr für den Ausbau von Solarzellen in NRW. Sollte sich in 2024 das im Vergleich langsamere Ausbautempo aus den ersten Monaten bis zum Jahresende so fortsetzen, würden über das ganze Jahr betrachtet knapp 1.800 Megawatt neu ans Netz gehen. Das wäre weniger als der Rekordwert aus 2023 (2.165 MW), aber noch immer der mit Abstand zweitbeste Zubau-Wert der vergangenen 15 Jahre (siehe Grafik).
Das zuständige Wirtschafts- und Energieministerium kommentierte diese Zahlen auf WDR-Anfrage: NRW sei dieses Jahr dabei, "an die Rekordwerte aus dem Vorjahr anzuknüpfen und das sehr gute Niveau beizubehalten" hieß es.
Zubau bislang kaum auf der Freifläche
Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) vertritt die Interessen der Unternehmen in der Ökostrom-Branche. Er hat eine Schwachstelle im Solarzellen-Ausbau in NRW identifiziert: "Mehr als 90 Prozent des Zubaus 2023 ist auf privaten und gewerblichen Dächern erfolgt. Freiflächen-Projekte und innovative Nutzungen wie beispielsweise Agri- oder Floating-PV spielen trotz vorhandener Potenziale derzeit noch keine Rolle", konstatiert Verena Busse, Solar-Expertin beim LEE NRW.
Bei der so genannten Freiflächen-Photovoltaik werden die Solarzellen am Boden installiert. Diese Solarparks haben wegen ihrer großen Fläche wesentlich mehr Leistung - und sind deutlich günstiger als Dachanlagen, was den so erzeugten Strom besonders billig macht.
NRW will deshalb die Hälfte des Solar-Ausbaus auf der Freifläche haben. Doch davon ist das Land weit entfernt: Vergangenes Jahr entfielen nur drei Prozent der neu installierten Leistung auf die Freifläche. Dieser Trend setzt sich auch in diesem Jahr fort.
Das sei "das Ergebnis der schlecht geregelten Rahmenbedingungen hier in NRW. Denn eigentlich hat unser Land das Potenzial, diese Ziele zu erreichen", kritisiert André Stinka von der oppositionellen SPD.
Dem wiederspricht das grün geführte Wirtschaftsministerium: Die Novellierung des Landesentwicklungsplans, die Ende April in Kraft getreten ist, werde einen "bedeutenden Schub" für die Freiflächen-Photovoltaik bringen. Außerdem habe das Land die Solarzellen auf der Fläche im vergangenen Jahr mit 53 Millionen Euro gefördert und eine unterstützende Kampagne gestartet.
Branche kritisiert Hürden für Floating-PV
Eine andere Art, auf einen Schlag viele neue Solarzellen zu installieren, sind schwimmende Solarparks - die so genannte Floating-PV. Auf einem See des Kieswerks Laprell Kaphof in Hückelhoven hat der Betreiber beispielsweise seit August schwimmende Solarzellen in Betrieb. "Wir decken damit 40 Prozent des Strombedarfs unseres Kieswerkes", sagt Geschäftsführerin Yvonne Hensing, die die Anlage gern vergrößern würde.
Doch die Vorschriften verhindern das: Demnach dürfen maximal 15 Prozent einer See-Oberfläche mit Solarzellen bedeckt sein, zusätzlich muss ein Mindestabstand von 40 Metern zum Ufer eingehalten werden. "Diese Regelung schränkt das Potential schwimmender Solarparks in einem Maße ein, dass sich viele Projekte wirtschaftlich nicht rechnen", erklärt LEE-Expertin Busse. Ihr Branchenverband wünscht sich, dass sich die schwarz-grüne NRW-Landesregierung beim Bund für eine Lockerung der Regeln einsetzt.
Die wiederum betont, genau das bereits getan zu haben - das Bundeswirtschaftsministerium habe deshalb schon "angekündigt, in einem Solarpaket II den erleichterten Zubau von schwimmenden Photovoltaik-Anlagen zu adressieren", hieß es aus dem NRW-Wirtschaftsministerium.
Bürgerenergiegesetz gilt nur für Windräder
Im Alleingang könnte NRW darüber hinaus entscheiden, dass Anwohner und Gemeinden Geld bekommen, wenn in der Nähe ein großer Solarpark entsteht. Für Windräder sieht das Bürgerenergiegesetz des Landes genau solche Zahlungen bereits vor. Die SPD fordert eine derartige Untetrstützung auch bei Solarzellen.
Ziel: Klimaneutralität bis 2045
Laut Gesetz muss NRW bis 2045 klimaneutral werden. Ökostrom, der vor allem mittels Solarzellen und Windrädern erzeugt wird, soll die fossil erzeugte Elektrizität in den kommenden Jahren deshalb zunehmend ersetzen. Bereits im Jahr 2030 soll in NRW kein Strom mehr aus Braunkohle erzeugt werden.
Über dieses Thema berichtet der WDR am 03.05.2024 ab 10 Uhr in seinen Hörfunk-Nachrichten.