Hosen statt Habermas: Und der NRW-Staatspreis geht an...

Von Martin Teigeler

Seit 1986 verleiht das Land den Staatspreis. Die Liste der Preisträger ist vielfältig - und sagt teils auch einiges über die jeweilige Regierung aus, die die Auszeichnung vergibt. In diesem Jahr werden Die Toten Hosen geehrt.

Musiker der Rockband Tote Hosen in der Düsseldorfer Arena

2024 geht der NRW-Staatspreis an die Düsseldorfer Band Die Toten Hosen (v.l.n.r.): Andreas von Holst (Kuddel), Michael Andreas Meurer (Andi), Michael Breitkopf (Breiti), Andreas Frege (Campino) und Stephen George Ritchie (Vom). Die Verleihung findet am Mittwoch im Apollo-Theater neben dem Landtag statt. Die Laudatio hält der Filmregisseur Wim Wenders. Die Hosen erhalten die höchste Auszeichnung des Landes für ihren Einfluss auf den "gesellschaftlichen Diskurs und die kulturelle Landschaft in Nordrhein-Westfalen und für ihr jahrzehntelanges soziales und gesellschaftliches Engagement", so die Staatskanzlei. Die Gruppe engagiert sich seit vielen Jahren unter anderem gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus sowie für geflüchtete und obdachlose Menschen.

2024 geht der NRW-Staatspreis an die Düsseldorfer Band Die Toten Hosen (v.l.n.r.): Andreas von Holst (Kuddel), Michael Andreas Meurer (Andi), Michael Breitkopf (Breiti), Andreas Frege (Campino) und Stephen George Ritchie (Vom). Die Verleihung findet am Mittwoch im Apollo-Theater neben dem Landtag statt. Die Laudatio hält der Filmregisseur Wim Wenders. Die Hosen erhalten die höchste Auszeichnung des Landes für ihren Einfluss auf den "gesellschaftlichen Diskurs und die kulturelle Landschaft in Nordrhein-Westfalen und für ihr jahrzehntelanges soziales und gesellschaftliches Engagement", so die Staatskanzlei. Die Gruppe engagiert sich seit vielen Jahren unter anderem gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus sowie für geflüchtete und obdachlose Menschen.

Gestiftet wurde der Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen in der Regierungszeit von Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) (hier neben seinem engen Berater Bodo Hombach). Die ersten Preisträger waren 1986 das Kabarettisten-Ehepaar Lore und Kay Lorentz, die sich den Preis mit dem Publizisten Walter Dirks teilten. In den ersten 20 Jahren ging die Auszeichnung meist an zwei Preisträger - seit rund 20 Jahren in der Regel an eine Person.

Der zunächst mit 50.000 D-Mark (heute 25.000 Euro) dotierte Preis wurde und wird für herausragende kulturelle oder wissenschaftliche Leistungen oder herausragende Leistungen in anderen Lebensbereichen an Persönlichkeiten verliehen, die dem Land Nordrhein-Westfalen "durch Werdegang und Wirken" verbunden sein sollen. 1990 ging der Staatspreis an die Tänzerin Pina Bausch (1940-2009).

2006 ehrte der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) den Philosophen und Sozialwissenschaftler Jürgen Habermas. Der Staatspreis wird laut Landesregierung nicht öffentlich ausgeschrieben. Bewerben kann man sich dafür auch nicht. "Vorschläge zur Verleihung des Staatspreises können Träger des Staatspreises, die Mitglieder der Landesregierung sowie die Präsidentin bzw. der Präsident des Landtags dem Ministerpräsidenten unterbreiten."

2011 erhielten der langjährige Krupp-Manager Berthold Beitz und seine Ehefrau Else in Essen den Staatspreis. Mit der Auszeichnung wurde ihr Einsatz zur Verteidigung der menschlichen Würde ausgezeichnet, so die Staatskanzlei damas. Else und Berthold Beitz hatten im Zweiten Weltkrieg in Polen Hunderte Juden vor dem Tod gerettet. Mit dem Preis wurde auch ihr großes Engagement für den Strukturwandel in Nordrhein-Westfalen gewürdigt.

Auch weniger prominente Menschen erhielten den NRW-Staatspreis. 2012 zeichnete die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) die Gründerin der Kölner Hilfsorganisation medica mondiale, die Ärztin und Frauenrechtlerin Monika Hauser, aus. Die vollständige Liste der Preisträger aus knapp 40 Jahren findet sich hier.

Der Wandel des Einwanderungslandes NRW zeigt sich ebenso beim Blick auf die Liste der Preisträger. 2017 übergab Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) den Preis in Köln an den Schriftsteller Navid Kermani. Der in Siegen als Sohn einer eingewanderten iranischen Familie geborene Autor trage durch "kluge Gedanken, kritische Betrachtungen und differenzierte Argumentation" zu einem guten Zusammenleben in NRW, Deutschland und Europa bei, so Laschet, der im Kabinett Rüttgers einst Integrationsminister war.

Die Laudatio auf Kermani hielt der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Über die Jahre haben immer wieder namhafte Laudatoren die Lebensleistung der Preisträger gewürdigt: 2009 nahm EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek stellvertretend für das ganze Parlament den Preis entgegen. Die Laudatio hielt der frühere Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne). Bei Habermas war es 2006 der einstige SPD-Chef Hans-Jochen Vogel.

2022 hieß der NRW-Staatspreisträger Michael Schumacher. Der frühere Formel-1-Weltmeister wurde "für seine herausragenden internationalen sportlichen Leistungen als Rennfahrer von Weltrang, in Anerkennung seines vorbildlichen sozialen Engagements und für seine Verdienste um sein Heimatland Land Nordrhein-Westfalen" geehrt. Familienangehörige Schumachers nahmen den Preis entgegen. Die Laudatio hielt Ex-Ferrari-Teamchef Jean Todt. 

Als politische Geste wurde 2023 die Ehrung für Altkanzlerin Angela Merkel (CDU) von Beobachtern bewertet. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) überreichte den Staatspreis damit an eine Politikerin, deren Bezugspunkte zu NRW überschaubar sind. Offenbar ging es Wüst eher darum, seine Verbundenheit zu Merkel zu bekunden. "Mit ihrer Entscheidung im Jahr 2015, Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen, hat Angela Merkel den Abschottungstendenzen in Europa aus christlicher Grundüberzeugung Mut und Menschlichkeit entgegengesetzt", so Wüst im vergangenen Jahr. Mittlerweile hat der Ministerpräsident seine politische Rhetorik geändert und will "irreguläre Migration" beenden. Außer Merkel hat bisher kein Ex-Kanzler den Preis erhalten.

Stand: 30.10.2024, 09:56 Uhr