Mehr Stellen im öffentlichen Dienst Aktuelle Stunde 20.01.2025 23:26 Min. UT Verfügbar bis 20.01.2027 WDR Von Bernd Neuhaus

Stellenzuwachs: Wieviel Personal braucht der Öffentliche Dienst?

Stand: 20.01.2025, 16:42 Uhr

Die Stellen im Öffentlichen Dienst sind in den letzten zehn Jahren um 16 Prozent gestiegen. Ein Bereich wuchs besonders stark.

Von Sabine Tenta

Feuerwehr, Schulen, Kitas. Hier wünschen sich viele Menschen und die Politik mehr Personal. Stellen, die der Steuerzahler am Ende finanziert. Eine am Montag veröffentlichte Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) befasst sich mit dem Stellenaufwuchs im öffentlichen Dienst. Tatsächlich kam es in den letzten zehn Jahren zu einem deutlichen Personalzuwachs. Auch die Verwaltung im Land wächst. Gleichzeitig klagen einige über nicht besetzte Stellen. Ein Widerspruch?

120.000 Stellen mehr in NRW

Zunächst zu den wichtigsten Zahlen der IW-Studie: In Nordrhein-Westfalen gab es 2023 rund 120.000 Beschäftigte mehr als 2013. Das mache in Summe einen Zuwachs von 16 Prozent aus. Laut Studie entfallen auf den Zuwachs zwei Fünftel (48.000 Beschäftigte) auf das Land und der Rest auf die Kommunen (72.000 Beschäftigte). Das entspricht einem Personalaufwuchs von 11 Prozent im Land und 22 Prozent bei den Kommunen.

Damit bewege sich NRW weitestgehend im Bundesdurchschnitt, der bei 10 Prozent auf Landesebene und 24 Prozent auf kommunaler Ebene liege. Das IW hat auch das Beschäftigungsniveau berechnet. Es bezieht sich auf die Zahl der Beschäftigten pro 1.000 Einwohner. Immerhin ist NRW das bevölkerungsreichste Bundesland. Hier steht NRW sogar besser da als andere Flächenländer:

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Personalmangel trotz Stellenaufwuchs

Doch trotz dieser Zunahme an Beschäftigten im Öffentlichen Dienst klagt beispielsweise der "Deutsche Beamtenbund und Tarifunion" (DBB) über unbesetzte Stellen: Es fehlten bundesweit mehr als 570.000 Beschäftigte. Für Andreas Hemsing, stellvertretender Bundesvorsitzender des DBB, ist dies kein Widerspruch.

Personalbedarf in Kitas | Bildquelle: WDR/epd/ Jan Tepass

Dem WDR erklärt er: "Die Aufgaben haben einfach zugenommen." Konkret nennt er die Bereiche Sicherheit und Bildung, insbesondere die frühkindliche Bildung. Hier gilt seit 2013 ein Rechtsanspruch auf die U3-Betreuung.

Was hilft gegen den Personalmangel?

Andreas Hemsing vom DBB fordert eine bessere finanzielle Ausstattung der Stellen, um sie für Bewerberinnen und Bewerber attraktiver zu machen. Auch ein Ausbau der Digitalisierung in der Verwaltung sei dringend nötig.

Hier sieht er ein großes Potenzial: Viele Standardaufgaben könne auch eine KI bearbeiten, nur in Sonderfällen müssten Sachbearbeiter ran. Dadurch könnte Personal frei werden, das in Bürgerbüros, in Ausländerbehörden und Wohngeldstellen eingesetzt werden könnte.

Großer Zuwachs in der politischen Verwaltung

Der Bereich der "politischen Führung und zentralen Verwaltung" sticht aus der IW-Studie hervor: Die Statistik weist hier für die letzten zehn Jahre 4.800 zusätzliche Stellen aus. Das entspreche einem Zuwachs von 34 Prozent.

Der Autor der IW-Studie, Björn Kauder, schreibt, insbesondere der "kräftige Personalaufbau im Bereich 'politische Führung und zentrale Verwaltung' ist mit Blick auf eine effiziente Verwaltung kritisch zu prüfen". Dem WDR erläutert Kauder, was genau gemeint ist: "Dabei handelt es sich um Stellen in Ministerien, wo die Gefahr besteht, dass ein Wasserkopf entsteht."

"Problematisch wird es, wenn Stellen aus politischen Gründen geschaffen werden, wenn etwa Parteifreunde mit gut bezahlten Stellen versorgt werden." Das sei eine Diskussion, die es auch auf Bundesebene gebe, erläutert Kauder weiter und nennt das Stichwort "Abendsonne". Dahinter stecke die Vermutung, dass vor der Bundestagswahl noch Beförderungen im größeren Stil in den Ministerien erfolgten.

Bund der Steuerzahler: "Bedenkliche Entwicklung"

Der Vorsitzende des Bunds der Steuerzahler NRW, Rik Steinheuer, sagte dem WDR zum Personalaufwuchs im Öffentlichen Dienst: "Das ist eine bedenkliche Entwicklung. Wir fordern seit Jahren, dass hier gegengesteuert wird." Die Verwaltungen würden mit immer neuen Aufgaben überfrachtet, zum Beispiel mit Förderprogrammen. Darum werde in den Ministerien immer mehr Personal aufgebaut, es müsse aber abgebaut werden. Förderprogramme würden auch in den Bezirksregierungen sehr viel Personal binden.

Für den Bund der Steuerzahler ist eine Aufgabenkritik ein zentraler Hebel zum Stellenabbau: "Man muss schauen, welche Aufgaben muss der Staat vielleicht überhaupt nicht mehr erfüllen." Das könne Personal freisetzen, das dann andere Bereiche verstärkt, "damit dann der Bürger sagen kann: Der Staat funktioniert."

FDP spricht von "ausufernder politischer Führung"

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Landtag, Ralf Witzel, betont: "Bürger erwarten zu Recht einen handlungsfähigen Staat, der in seinen Kernaufgaben funktioniert." Im Vordergrund sollten innere Sicherheit, Rechtsstaat, Bildung und Infrastruktur stehen. "Hier bereitet uns Sorgen, dass Tausende wichtige Stellen aktuell gar nicht besetzt sind, was uns Chancen kostet."

Aber er sieht auch ein hohes Einsparpotenzial "in vielen Bereichen, die bedingt durch immer mehr Bürokratie und ausufernde politische Führung explodiert sind".

Zum Stellenaufwuchs in der Landesverwaltung war von der NRW-Staatskanzlei auf WDR-Nachfrage zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichten wir am Montag auch im WDR-Hörfunk und WDR-Fernsehen, unter anderem in der Aktuellen Stunde.