NRW-Verfassungsgericht: Stichwahl bleibt

Stand: 20.12.2019, 11:50 Uhr

  • Verfassungsgericht urteilt: Stichwahl in NRW bleibt
  • Opposition im Landtag hatte gegen Abschaffung geklagt
  • Schwere Niederlage für schwarz-gelbe Landesregierung

Die Stichwahlen bei Kommunalwahlen bleiben. Das hat der NRW-Verfassungsgerichtshof am Freitag (20.12.2019) in Münster mit knapper Richtermehrheit von vier zu drei entschieden. Durch die von Schwarz-Gelb beschlossene Abschaffung sehen die Richter die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats verletzt. SPD und Grüne hatten gegen den Wegfall der Stichwahl geklagt.

Richter tadeln Landesregierung

Die Landesregierung habe bei der nun gekippten Neuregelung die "zunehmende Zersplitterung der Parteienlandschaft" nicht beachtet, teilten die Richter in ihrer Begründung mit. Auch habe Schwarz-Gelb nicht überzeugend dargelegt, dass ein Wegfall der Stichwahl zu einer Stärkung der demokratischen Legitimation führe.

SPD: Sieg für Demokratie

Die NRW-SPD bewertete den Richterspruch als "Sieg für die Demokratie". Auch die Grünen begrüßten das Urteil. Die CDU im Landtag zeigte sich enttäuscht und teilte mit, das Gericht sei von seiner eigenen, bisherigen Rechtsprechung abgewichen. Die Entscheidung sei innerhalb des Gerichts umstritten. Das zeige unter anderem das Sondervotum, das von drei Richtern getragen werde.

2020 erneut mit Stichwahl

CDU und FDP hatten die Bürgermeister-Stichwahl mit ihrer Regierungsmehrheit im Landtag abgeschafft. Nun bleibt es bei der Kommunalwahl im September 2020 bei den Stichwahlen - also einem zweiten Wahlgang, wenn kein Bürgermeister- oder Landratskandidat im ersten die absolute Mehrheit erreicht.

Absolute oder relative Mehrheit

Der Staatsrechtler Martin Morlok hatte im Verfahren klar für die Stichwahl plädiert: "Wenn wir ohne Stichwahl Bürgermeister wählen", so Morlok, "dann haben wir angesichts vieler gleich starker Parteien die Wahrscheinlichkeit, dass der Gewinner aus dem ersten Wahlgang nur 35 oder 25 Prozent hat." Das hieße im Umkehrschluss: In diesen Fällen käme ein Bürgermeister ins Amt, den 65, 70 oder 75 Prozent der Bürger eben nicht gewählt haben.

Eine Frage der Legitimation

Das stimmt, allerdings nur prozentual. In absoluten Wählerstimmen erhält der siegreiche Kandidat in der Stichwahl meistens mehr Stimmen als der führende Bewerber im ersten Wahlgang. Laut CDU ist "grundsätzlich die breite Legitimation gegeben, wenn in einem Wahlgang gewählt wird."

Alles graue Theorie? Von wegen. In Düsseldorf regiert seit 2014 der SPD-Oberbürgermeister Thomas Geisel. Gewählt in der Stichwahl mit 59 Prozent der Wählerstimmen. Ohne Stichwahl säße heute ein CDU-Mann auf dem Oberbürgermeistersessel. Denn der lag nach dem ersten Wahlgang noch vorne. Mit relativer, nicht absoluter Mehrheit.

Machtfaktor Stichwahl

Solche Fälle gibt es zuhauf in NRW: In Mönchengladbach, in Wuppertal, Grevenbroich, Wermelskirchen oder auch im Kreis Lippe. Eine WDR-Auswertung der Kommunalwahl 2014/15 zeigt: In den meisten Fällen ging ein Mehrheitswechsel in der Stichwahl zulasten der CDU.