Strukturwandel im Kohlerevier: Was kommt nach Lützerath?
Stand: 31.01.2023, 15:33 Uhr
Wenn im Rheinischen Revier keine Braunkohle mehr gebaggert wird, könnte hier eine ökologische Modellregion entstehen, sagen Umweltverbände. Doch die schwarz-grüne Landesregierung habe die Chance verpasst.
Von Nina Magoley
Dass das Dorf Lützerath doch noch abgerissen wurde, hatte die schwarz-grüne Landesregierung mit einem früheren Ausstieg aus der Braunkohle gerechtfertigt. Als guten Deal für den Klimaschutz hatte die grüne NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur diese Einigung immer wieder verteidigt.
Umso entscheidender ist jetzt die Frage: Wie geht es nach Lützerath weiter in Sachen Klimaschutz? Und da sieht es für Landesregierung derzeit überhaupt nicht gut aus - zumindest aus Sicht der Umweltverbände Nabu und BUND. Auf einer Pressekonferenz zum "Strukturwandel im Rheinischen Revier", den sie gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft NRW am Dienstag in Düsseldorf gaben, klang Enttäuschung durch.
"Prinzip 'weiter so'"
Enttäuschung herrschte dabei vor allem über die Grünen in der Landesregierung. Noch im Koalitionsvertrag sei die Stimme der Ökopartei deutlich hörbar gewesen: "Das Rheinische Revier soll ein internationaler Vorreiter bei der räumlichen Gestaltung des Strukturwandels werden", heißt es dort. Stattdessen konstatieren die Umweltverbände derzeit eher Stillstand: "Der Landesregierung fällt der Ausstieg aus der Braunkohle schwer", sagte BUND-Geschäftsführer Dirk Jansen. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und seine grüne Stellvertreterin Neubaur hätten "die Chance verpasst", NRW auf den Pfad des 1,5 Grad-Ziels zu bringen. "Anstatt alle Kräfte dafür zu bündeln, das Rheinische Revier zu einer Modellregion in Sachen Klimaschutz zu machen, regiert auch hier nur noch das Prinzip 'weiter so'."
Jansen nannte ein Beispiel: Mit RWE hat die Landesregierung verabredet, eine neue Gasinfrastruktur zu errichten. Ambitionen, eine dezentrale Wasserstoffproduktion aufzubauen, seien dagegen nicht erkennbar. Der BUND befürchtet, dass eine fossile Gasinfrastruktur, wenn sie einmal aufgebaut ist, auch langfristig genutzt wird. "Wir fürchten, dass das mit der Klimaneutralität nur eine hohle Phrase ist und hier stattdessen alte Strukturen zementiert werden."
Nabu-NRW-Chefin Heide Naderer stellte fest, dass die Landesregierung zwar 15 Milliarden Euro für den Sturkturwandel im Rheinischen Revier geplant hätte, es bislang aber kein Konzept dafür gebe, "wie sich diese Region eigentlich nachhaltig und qualitativ entwickeln soll, auch in Bezug auf die Themen Erneuerbare Energien, Naturschutz, Landwirtschaft".
Die besten Böden Westdeutschlands
Beste Böden im Braunkohlerevier
Für die Bauern im Rheinischen Revier sprach Bernd Schmitz von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Die Böden hier seien die besten in Westdeutschland, der Anbau von Gemüse und Früchten besonders ertragreich, erklärte er. Es sei notwendig, diese Böden zu schützen. Dieser Punkt spiele in der Gesamtplanung aber bislang überhaupt keine Rolle. Stattdessen gingen jeden Tag Flächen verloren, betreibe die Landesregierung einen "Raubbau an der regionalen Ernährungssouveränität".
Es sei jetzt die Zeit, Fehlentwicklungen zu korrigieren, erklärte das Bündnis und legte eine Liste mit zehn Forderungen vor. Raumentwicklung müsse Klima- und Ressourcenschonung priorisieren, heißt es darin unter anderem, Biodiversität und der Schutz von Ökosystemen müsse Vorrang haben. Von der Landesregierung erwarteten die Verbände mehr Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung, sagte Jansen - vor allem finanzielle Beteiligung der Bürger an RWE-Projekten auf Bergbauflächen wie den Tagebaurestlöchern. "Denn klar ist: Die Region nicht mehr RWE, sondern uns allen."
"Rettungsaktion" für das letzte Grün
Im vergangenen Herbst hatten Nabu und BUND den Startschuss für das vom Wirtschaftsministerium geförderte Projekt "Grundlagenkonzept Biotopverbund Rheinisches Revier" gegeben. Dafür soll untersucht werden, wie die vorhandenen Biotope im Revier geschützt bleiben. 200.000 Euro habe das Land dafür locker gemacht, nach langem Hin und Her, sagte Naderer. Allerdings handele es sich dabei eher um eine "Rettungsaktion für die letzten grünen Ecken". Eine nachhaltige Raumentwicklung beinhalte auch dieses Projekt nicht.
Nach der Landtagswahl 2022 habe man durch den Eintritt der Grünen in die Regierung "schon Hoffnung auf einen grundlegenden Wandel gehegt", sagte Jansen. Er könne aber bislang keine "Maßnahmen in Richtung Klimaschutz" erkennen. "Primat" seien weiterhin rein ökonomische Interessen. Nein, es sei für Umweltverbände nicht einfacher geworden, sagte auch Heide Naderer vom Nabu: "Biodiversität und Naturschutz haben keinen Vorrang." Sie könne keinen Wandel erkennen und hoffe, "dass besonders die Grüne Partei da nochmal nachlegt".