Koalitionsverhandlungen in Berlin: So stark ist NRW

Aktuelle Stunde 13.03.2025 32:02 Min. UT Verfügbar bis 13.03.2027 WDR Von Mathea Schülke

Der Wunschzettel der NRW-Industrie an die neue Bundesregierung

Stand: 13.03.2025, 14:56 Uhr

Zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen formuliert die Wirtschaft in NRW ihre Erwartungen. Braucht es einen "Wiederaufbau West"?

Von Sabine Tenta

In Düsseldorf hat NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Donnerstag Vertreterinnen und Vertreter der Industrie und der Gewerkschaften in die Staatskanzlei zum Austausch eingeladen. Sie haben in großer Einigkeit, wie am Ende alle Beteiligten betonen, ein Papier beschlossen mit dem Titel: "Industriepolitischer Impuls aus Nordrhein-Westfalen".

Dieser Impuls zielt nach Berlin, wo an diesem Tag die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung aufgenommen werden.

Am Austausch teilgenommen haben unter anderem für die Landesregierung Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) und der Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski (CDU) sowie der Präsident von Unternehmer NRW, Arndt Kirchhoff, und der Bezirksleiter der IG Metall, Knut Giesler.

Hendrik Wüst fordert "Wiederaufbau West"

Im Anschluss umschreibt Ministerpräsident Wüst die weltpolitische Lage als "Epochenwechsel":

"Seit Jahren stand nicht so viel auf dem Spiel wie dieses Mal." Hendrik Wüst

Es gehe darum, den Wohlstand zu verteidigen, den sozialen Frieden zu sichern und die Demokratie zu verteidigen. All das gehöre zusammen. Dafür sei nun ein wirtschaftspolitischer Neustart möglich. Es sei jetzt ein "Wiederaufbau West" nötig.

Hendrik Wüst (2023)

Hendrik Wüst

Nach den Investitionen im Osten, müsse nun der Westen nachziehen, hier gebe es einen erheblichen Bedarf bei der Infrastruktur. Länder und Kommunen müssten von dem geplanten Sondervermögen des Bundes einen angemessenen Anteil erhalten, forderte der CDU-Politiker. Die Generation, die jetzt diese hohen Schulden aufnehme, müsse durch eine starke Wirtschaft in die Lage versetzt werden, mit der Tilgung der Schulden anfangen zu können.

Diese konkreten Forderungen wurden formuliert

Das Impulspapier enthält drei Kernforderungen an die neue Bundesregierung:

  1. Energiepolitik: Die Energiepreise sollen gesenkt werden, die Netzentgelte dauerhaft gedeckelt und die Stromsteuer dauerhaft und umfassend gesenkt werden. Die Vereinbarung aus dem Sondierungspapier, die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß zu senken, wurde ausdrücklich begrüßt. Die Versorgungssicherheit müsse durch einen schnellen Kraftwerksausbau gewährleistet werden. Und eine "bedarfsgerechte Wasserstoffinfrastruktur" sei nötig für die Transformation zur Klimaneutralität.
  2. Beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren: Konkret werden "verbindliche Fristen, Stichtagsregelungen und eine deutliche Vereinfachung der Verfahren" gefordert. Nötig seien ferner "die flächendeckende Einführung digitaler Verfahren, um Genehmigungsprozesse zu vereinheitlichen und zu vereinfachen" sowie beschleunigte Sonderverfahren für industrielle Großprojekte.
  3. Bürokratieabbau: Dieser solle auf nationaler und europäischer Ebene stattfinden. "Doppelte und komplexe Berichtspflichten und überbordende Regulierungen binden Kapazitäten und behindern Innovationen." Konkret wird ein "Belastungsmoratorium" gefordert, es solle keine bürokratischen Pflichten mehr geben ohne gleichzeitige Entlastung. Eine Altschuldenlösung könne die Kommunen entlasten.

Arndt Kirchhoff, "Unternehmer NRW": "Schicksalsfrage für unser Land"

Unternehmer NRW, Präsident Arndt Kirchhoff

Arndt Kirchhoff

Arndt Kirchhoff, Präsident der "Landesvereinigung der Unternehmensverbände Nordrhein-Westfalen", kurz "Unternehmer NRW", sprach von einer Fülle an zum Teil existenziellen Herausforderungen, vor denen das Land stehe. Er forderte, dass in den Koalitionsverhandlungen nun vor allen Dingen um die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gehen müsse, alles, was dem entgegenstehe, müsse wegfallen. Kirchhoff sprach gar von einer "Schicksalsfrage für unser Land".

Bei der Frage des Koalitionsvertrags wurde der Verbands-Präsident sogar sehr konkret und meinte, mehr als 100 Seiten seien nicht nötig. Als eigenen Akzent, der nicht im Impulspapier enthalten ist, forderte Kirchhoff, eine deutliche Senkung der "Steuer- und Abgabenlast", das helfe auch Arbeitnehmern, weil sie dann mehr "Netto vom Brutto" hätten.

Knut Giesler, IG Metall: "Historische Herausforderung und Chance"

Knut Giesler, IG Metall

Knut Giesler

Der Vertreter der Gewerkschaften, Knut Giesler von der IG Metall, sieht "eine historische Herausforderung und Chance, das Land und Nordrhein-Westfalen wieder zusammenzuführen". Über das Impulspapier hinausgehend forderte Giesler einen "Push für die Elektromobilität" mit einem Ausbau der Ladeinfrastruktur und einem Kaufanreiz für Elektroautos.

SPD-Oppositionsführer Jochen Ott: "Kleines Industriegipfelchen"

Der SPD-Fraktionschef Jochen Ott nannte das Treffen in Düsseldorf ein "kleines Industriegipfelchen", es habe "außer einem Forderungskatalog an den Bund nur wenig gebracht". Der Ministerpräsident habe sich in Ausführungen zur neuen Weltordnung und der potenziellen wirtschaftlichen Stärke Deutschlands verloren. "Aber was seine Landesregierung für den Wirtschaftsstandort NRW tun kann, findet keinen Platz." Jochen Ott meint: "Nordrhein-Westfalen hat mehr verdient als ein Warten auf Berlin."

Einig ist sich Ott jedoch mit Wüst in diesem Punkt: "Dass eine neue Bundesregierung die NRW-Infrastruktur besonders im Blick hat und einen 'Wiederaufbau West' anpackt, ist auch meine Erwartung." Geld aus Berlin allein - so mahnt Ott noch "saniert noch lange keine Schulen, Straßen oder Brücken". Entscheidend sei, dass die Mittel bei den Städten und Gemeinden ankommen und sie in die Lage versetzt würden, die Maßnahmen zu verwirklichen.

FDP-Landtagsabgeordneter Brockes begrüßt Impulspapier

Die FDP-Landtagsfraktion begrüßte den industriepolitischen Impuls von Ministerpräsident Hendrik Wüst in Richtung der Bundesregierung. Aber auch der Dietmar Brockes, wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion, forderte die schwarz-grüne Landesregierung auf, "endlich selbst aktiv zu werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu stärken".

Gespräch zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen

WDR Studios NRW 13.03.2025 06:40 Min. Verfügbar bis 13.03.2027 WDR Online


Über dieses Thema berichten wir auch im WDR Hörfunk: am Donnerstag im WDR-5-Landesmagazin Westblick ab 17.04 Uhr.

Unsere Quellen:

  • Pressekonferenz in der Düsseldorfer Staatskanzlei
  • Impulspapier der Beteiligten
  • Mitteilung der SPD
  • Mitteilung der FDP