Hintergrund zum Thema Lebertransplantation Aktuelle Stunde 21.10.2024 31:03 Min. UT Verfügbar bis 21.10.2026 WDR Von Anna Deschke

Nach Pilzvergiftungen: So läuft eine Lebertransplantation ab

Stand: 22.10.2024, 19:59 Uhr

Wenn die Leber versagt und ihre Aufgaben nicht mehr erfüllt, ist eine Lebertransplantation nötig. Wie der genaue Ablauf aussieht.

Von Sabine Meuter

Knollenblätterpilze im Wald gesammelt und diese gegessen, weil man sie für den Wiesen-Champignon gehalten hatte – das hatte vor einer Woche für drei Kinder (im Alter zwischen fünf und 15 Jahren) und einen Erwachsenen fatale Folgen. Die Vier kamen mit akuten Pilzvergiftungen in die Essener Uniklinik. Zwei der Kinder und dem Vater musste infolge der Vergiftung eine neue Leber transplantiert werden. Ein Kind stand nicht in Verbindung mit der Familie und war zufällig zu einem ähnlichen Zeitpunkt in die Klinik eingeliefert worden.

Welche Gründe es für eine Lebertransplantation geben kann und warum die Patienten in Essen nur verhältnismäßig kurz auf Spenderlebern warten mussten.

Welche Aufgaben hat die Leber eigentlich?

In der Leber als dem größten inneren Organ eines Menschen finden mehrere verschiedene Stoffwechsel-, Speicher- und Syntheseprozesse statt. Sie ist das Organ, das beispielsweise für die Entgiftung des Körpers sorgt. Ist die Funktion der Leber gestört, führt dies dazu, dass der Körper mit Giftstoffen überschwemmt wird. Zudem werden bei einer gestörten Leberfunktion Stoffe, die etwa für die Blutgerinnung wichtig sind, nicht mehr gebildet. Bei einem Leberversagen führt nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung kein Weg an einer Lebertransplantation vorbei, um zu überleben.

In welchen Fällen kann eine Lebertransplantation nötig sein?

Zum Beispiel bei Infektionen mit Hepatitis-Viren, bei Stoffwechselstörungen, bei Tumoren oder eben bei Vergiftungen. In Deutschland gibt es laut Deutscher Krankenhausgesellschaft 45 Transplantationszentren. Sie sind für die Übertragung von Organen von verstorbenen Personen sowie für die Entnahme und Übertragung von Organen lebender Spenden zuständig.

Was ist eine Lebendspende und wie viele Spenden gab es zuletzt?

Die Leber kann – anders als bei anderen Organen – sowohl von Lebenden wie auch von Verstorbenen entnommen werden. Bei einer Lebendspende gibt ein Spender einen Teil seiner Leber ab. Eine halbe Leber ist für einen Menschen nach Angaben des Vereins Lebertransplantierte Deutschland ausreichend.

Im Jahr 2023 gab es der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zufolge 52 Lebendspenden und 816 Spenden von Verstorbenen – bei einer Warteliste mit 2.095 Personen.

Allerdings gibt es vergleichsweise wenige Lebendspenden bei der Leber. "Bei der Niere kommen rund 25 Prozent der Organe, die transplantiert sind, über die Lebendspende, bei der Leber sind es nur zwischen drei und sechs Prozent", sagte Prof. Florian Vondran, Direktor der Transplantationschirurgie an der Uniklinik Aachen, dem WDR. Das hänge damit zusammen, dass die Entnahme von Teilen der Leber bei lebenden Personen sehr viel aufwändiger und dass sie auch nicht bei jedem machbar ist.

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Wie schnell klappt es mit einer Lebertransplantation?

Die Transplantationszentren führen Wartelisten, die sehr lang sind. Insofern kann es mitunter Jahre dauern, bis eine Leberspende gefunden ist. Die Zentren arbeiten mit der Stiftung Eurotransplant eng zusammen. Sie versteht sich als Service-Organisation, die für die Zuteilung von Spenderorganen in acht europäischen Ländern verantwortlich ist. Hierfür kooperiert Eurotransplant auch mit Organspende-Organisationen, Laboratorien und Krankenhäusern. Benötigt ein Patient oder eine Patientin ein neues Organ, stellt das jeweilige Transplantationszentrum bei Eurotransplant eine Anfrage. Die Zuteilung von Organen erfolgt nach Verfügbarkeit sowie aus medizinischen und ethischen Gesichtspunkten.

Wenn die Wartelisten für eine neue Leber so lang sind – wie kann es dann sein, dass es in den Fällen der Pilzvergiftung in Essen vergleichsweise schnell geklappt hat?

Das Transplantationszentrum kann eine sogenannte Hochdringlichkeitsmeldung an Eurotransplant schicken. Voraussetzung für die Hochdringlichkeitsmeldung für einen Patienten ist eine lebensgefährliche Situation mit Leberausfall und auch Einschränkungen des Bewusstseinszustands, wie Prof. Lars Pape von der Uniklinik Essen dem WDR sagte. Und genau das war auch bei drei seiner vier Patienten mit den akuten Pilzvergiftungen der Fall. Wäre keine Transplantation erfolgt, wären diese gestorben.

Wie ist das Vorgehen bei einer Lebertransplantation?

Das ist nach Angaben des Vereins Lebertransplantierte Deutschland folgendes Vorgehen in sechs Schritten:

  • Schritt 1: Die Person, die eine neue Leber benötigt, kommt bei einem Transplantationszentrum auf die Warteliste. Je nach Fall schickt das Zentrum eine Hochdringlichkeitsmeldung an Eurotransplant.
  • Schritt 2: Das Transplantationszentrum meldet sich beim Patienten und teilt mit, dass ein Organ gefunden ist. Die Vorbereitungen für die Organentnahme und die Transplantation laufen parallel, es muss schnell gehen.
  • Schritt 3: Die Transplantation im OP-Saal unter Vollnarkose dauert vier bis sechs Stunden.
  • Schritt 4: Der Patient wird nach der OP auf der Intensivstation engmaschig überwacht, damit keine Komplikationen auftreten.
  • Schritt 5: Der Patient bekommt Arzneimittel, um zu verhindern, dass das Immunsystem die neue Leber, die es als fremd wahrnimmt, abstößt.
  • Schritt 6: Der Patient kommt nach dem Krankenhausaufenthalt in die Reha, damit er sich nach und nach wieder an den Alltag gewöhnt.
Ablauf einer Lebertransplantation | Bildquelle: WDR/picture-alliance

Warum ist es wichtig, dass Menschen sich Gedanken machen, ob sie selbst Organspender werden möchten?

Die Fälle der Pilzvergiftungen in der Essener Uniklinik machen deutlich: Die drei Patienten konnten nur durch eine Leberspende gerettet werden, wie Prof. Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen, sagte. 

 "Das zeigt, wie wichtig es ist, dass es in Deutschland genug Organspender gibt. Jeder sollte sich Gedanken dazu machen und seine Entscheidung im Organspende-Ausweis dokumentieren.“ Prof. Dr. Jochen A. Werner, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender der Universitätsmedizin Essen

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