Nach mehreren Anschlägen in NRW-Städten und einer Entführung führt die Spur ins Milieu der sogenannten "Mocro-Mafia". Was hat es mit dem kriminellen Netzwerk auf sich? Fragen und Antworten.
Was versteht man unter "Mocro-Mafia"?
Der von niederländischen Medien geprägte Begriff bezieht sich auf verschiedene kriminelle Banden, die seit Jahrzehnten vor allem in den Niederlanden und Belgien aktiv sind. "Mocro" ist zwar ein geläufiger niederländischer Slang-Begriff für Menschen marokkanischer Herkunft, in dem Netzwerk sind aber auch gebürtige Niederländer und andere Nationalitäten aktiv.
Unter anderem deshalb ist der Begriff umstritten. Kritisiert wird auch, dass der Begriff Mafia dieser Organisation größere Bedeutung beimessen könnte, als sie tatsächlich hat. In unserer Berichterstattung setzen wir "Mocro-Mafia" daher in Anführungszeichen.
Bei welchen Aktivitäten sind die Banden aktiv?
Die ersten Banden wurden in den 1990er-Jahren auffällig, als sie nach und nach den niederländischen Handel mit Cannabis unter ihre Kontrolle brachten. Inzwischen engagiert sich das Netzwerk vor allem im internationalen Drogenhandel, insbesondere dem Schmuggel und Verkauf von Kokain. Aber auch andere kriminelle Aktivitäten werden dem Netzwerk zugerechnet: zum Beispiel Geldwäsche, Raub, Entführungen und Auftragsmorde.
Dabei arbeiten die einzelnen Organisationen teilweise zusammen, haben sich in der Vergangenheit aber auch schon gegenseitig in blutigen Bandenkriegen bekämpft.
Welches Gewaltpotenzial haben die Banden?
International bekannt wurde die "Mocro-Mafia" im Jahr 2021, als der prominente niederländische Journalist Peter de Vries in Amsterdam auf offener Straße erschossen wurde. Der Mord stand offenbar in Zusammenhang mit einem Prozess gegen Ridouan Taghi, den Kopf einer berüchtigten Drogenbande.
De Vries war Vertrauensperson des Kronzeugen, der gegen Taghi und seine Komplizen ausgesagt hatte. Zuvor waren bereits der Bruder und der Verteidiger des Kronzeugen ermordet worden.
Die Auftragsmörder wurden im Juni zu langen Haftstrafen verurteilt. Taghi selbst konnte keine Beteiligung an dem Mord nachgewiesen werden. Er wurde aber wegen der Verwicklung in andere Auftragsmorde zu lebenslanger Haft verurteilt.
Sind die Banden auch in NRW aktiv?
Davon sei auszugehen, sagte Oliver Huth vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) dem WDR am Dienstag. "Wer glaubt, dass die "Mocro-Mafia" nicht die Grenze passiert, der ist naiv." Der aktuelle Entführungsfall in Köln zeige, dass sich die Mitglieder bei ihren Geschäften längst nicht mehr auf die Niederlande beschränken.
"Wenn Rauschgiftgeschäfte hier schiefgehen, werden sie auch hier Präsenz zeigen. Das lassen sie sich nicht gefallen." Neben Drogengeschäften werden den Banden auch eine Verwicklung in zahlreiche Sprengungen von Geldautomaten im Land nachgesagt.
Im Jahr 2022 hatte das NRW-Innenministerium auf eine Kleine Anfrage der AfD im Landtag allerdings noch mitgeteilt, dass derzeit "keine belastbaren Indikatoren für kriminelle Aktivitäten dieser Zielgruppe" vorliegen. Die Polizei in NRW arbeite aber eng mit den niederländischen Kollegen zusammen und der Informationsaustausch sei gewährleistet.
Unsere Quellen:
- WDR-Informationen
- WDR-Reporter vor Ort
- Innenministerium NRW
- Nachrichtenagentur dpa
- Interview mit Oliver Huth (BDK)
Über dieses Thema berichteten wir am 09.07.2024 auch im WDR Fersehen in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.
Hinweis der Redaktion zu "Mocro-Mafia": Auch wir verwenden diese Bezeichnung, weil sie weit verbreitet ist. Da die Bezeichnung umstritten ist, setzen wir sie in Anführungszeichen. Denn anders als der Name suggeriert, besteht das Netzwerk den Daten zufolge eben nicht ausschließlich aus Mitgliedern mit marokkanischen Wurzeln. Vielmehr handelt es sich um multinationale Banden, die etwa Kontakt zu spanischen Kriminellen halten und vor allem Geschäfte mit Kokain und Cannabis machen.