In Duisburg wurde am Samstag etwa die Parole "From the river to the sea - Palestine will be free!" gerufen (auf deutsch: Vom Fluss bis zum Meer - Palästina wird frei sein). Die Aussage gilt als juden- und israelfeindlich und als Forderung nach der Auslöschung des Staates Israel.
Entsetzen wegen "From the river to the sea"-Parole
Felix Oekentorp, Mitveranstalter des Ostermarschs Rhein-Ruhr, zeigte sich entsetzt: "Ich war fassungslos, dass es Menschen gibt, die bei aller Berechtigung über die Empörung über die auch vom israelischen Staat verursachten Gewalttaten dann selber zu Gewalt aufrufen". Denn nichts anderes sei der Aufruf "From the river to the sea", so Oekentorp.
In Köln gingen am Samstag ebenfalls hunderte Menschen auf die Straße, unter anderem um gegen die Aufrüstung der NATO und Waffenlieferungen zu protestieren. Auch der Hamas-Terror und der russische Angriff wurden angesprochen. Das war nicht in allen Städten so. Aber auch hier wurde zum Teil nicht Russland, sondern die NATO als Aggressor dargestellt.
"Stoppt die NATO-Aggression" und "Hände weg von Russland" als Forderung
Sie sehe die Verantwortung für die Toten in der Ukraine "bei der Kriegspolitik der NATO", sagte etwa Renate Koppe von der Deutschen Kommunistischen Partei. Das westliche Verteidigungsbündnis nutze die Ukraine für seine "Aggression gegen Russland", ist sie überzeugt.
Doch es gab in Köln auch differenzierte Aussagen. Bei der Versammlung warnte etwa die Linken-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler vor einer "Militarisierung der Gesellschaft". Der Überfall Russlands auf die Ukraine habe sie erschüttert, gleichwohl sei es ein Irrglaube der Bundesregierung sowie der Union, zu meinen, dass "weitere Kriege in Europa vor allem dadurch verhindert werden könnten, dass man maximal aufrüstet". In der aktuellen Situation sei eine Politik gefragt, die "den Frieden vorbereitet".
Protest gegen Aufrüstung
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine sieht Joachim Schramm, Sprecher für die Ostermarsch-Bewegung, Deutschland in der Verantwortung, "zur Beendigung des Tötens beizutragen". "Wir demonstrieren auch gegen die Renaissance der alten militärischen Konzepte in der Außenpolitik", sagte Schramm im Vorfeld der Ostermärsche und äußerte wiederum scharfe Kritik an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Der habe "mit dem Ruf nach Kriegstüchtigkeit eine verhängnisvolle Entwicklung angeheizt." Die NATO-Staaten befeuerten den Krieg mit Waffenlieferungen und militärischer Unterstützung, heißt es auf der Seite der Veranstalter.
Kritik an Botschaften bei Osterprotesten
"Ein großes Problem der meisten Aufrufe ist, dass der Aggressor nicht klar benannt wird und dass auch nicht gefordert wird, dass Russland sich zurückzieht", sagte Friedensforscher Tobias Debiel von der Universität Duisburg-Essen im Gespräch mit dem WDR. Das sei aber die Voraussetzung, um sinnvoll über Friedensregeln sprechen zu können.
Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte zuvor mit Blick auf die Ostermärsche der Friedensbewegung vor einseitiger Parteinahme in Konflikten gewarnt. "Menschlichkeit ist unteilbar. Alles andere ist brandgefährlich", sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
"Wir fordern, dass die Waffen schweigen", erwiderte Willi van Ooyen, Organisator der Ostermärsche. Da helfe keine Schuldzuweisung. "Zum Krieg gehören immer zwei, die sich gegenüber stehen."
"Friedfertigkeit allein reiche nicht aus", schrieb der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in einer Mail an seine Anhänger. Es wäre sehr zu wünschen, wenn sich die Ostermarschierer in diesem Jahr vor allem an Putin richteten und ihn aufforderten, den Angriffskrieg gegen die Ukraine sofort zu beenden.
Jahrzehntelange Ostermarsch-Tradition
Die Tradition der Ostermärsche ist nunmehr über 60 Jahre alt. Zum ersten Mal marschierten an Ostern 1958 Atomwaffengegner in England zu einer Nuklearforschungsanlage. Auch in Deutschland folgten kurz darauf Massenproteste. 1960 entwickelte sich daraus die Institution der deutschen Ostermärsche. Zunächst marschierten nur 1.500 Menschen zu einem Truppenübungsplatz in der Lüneburger Heide. Im Laufe der 60er-Jahre wurden daraus Hunderttausende.
Anlässe für die Ostermärsche gab es in den folgenden Jahrzehnten viele. Durch die aktuellen Kriegsgeschehen auf der Welt - etwa den Angriff auf die Ukraine und den brutalen Konflikt im Gazastreifen - haben auch die Ostermärsche wieder etwas mehr Zulauf erhalten. Der Wunsch nach Frieden ist ungebrochen - genau wie die Kritik, dass die Forderungen oft zu naiv seien oder den Falschen in die Karten spiele.
Ostermarsch Rhein-Ruhr in Duisburg, Essen und Dortmund
Unter dem Motto "Für eine zivile Zeitenwende, Kriege beenden, Aufrüstung stoppen" startete der diesjährige dreitägige Ostermarsch Rhein-Ruhr am Samstag in Duisburg und Köln laut den Veranstaltern mit etwa 1.100 Menschen. Die Teilnehmerzahl liege in etwa auf dem Niveau des Vorjahres, sagte Kristian Golla, Sprecher des Netzwerks Friedenskooperative. Auch in anderen NRW-Städten fanden am Wochenende kleinere Ostermärsche statt.
In Essen startete am Sonntag die zweite Etappe des Ostermarsches Rhein Ruhr. Von der Essener Innenstadt zogen die Teilnehmenden durch mehrere Städte bis nach Bochum. Etwa 150 Menschen kamen dabei zusammen - einige Teilnehmenden mit Fahrrädern. Vom Essener Hirschlandplatz machten sich rund 80 Fahrräder, viele mit Plakaten, auf den Weg. Von Essen geht es erst nach Gelsenkirchen, dann weiter über Wattenscheid, Herne bis nach Bochum.
Der Abschluss fand am Ostermontag traditionell in Dortmund statt. An der Kundgebung auf dem Hansaplatz nahmen laut Polizei rund 600 Menschen teil.
Bundesweit mehr als 100 Ostermärsche geplant
Eine weitere Demonstration war am Montag in Krefeld als Radtour zum Thema "Jetzt erst Recht - Gemeinsam für Frieden" geplant. An verschiedenen Stationen in der Stadt wurden Reden geplant, unter anderem an einem Krieger-Denkmal im Stadtgarten und vor dem Rathaus.
Bundesweit waren nach Angaben des Netzwerks mehr als 100 Ostermärsche geplant. Zu den Demonstrationen, Kundgebungen und Aktionen für Frieden haben mehr als 50 Initiativen und Organisationen aufgerufen. Es haben Rednerinnen und Redner aus der Friedensbewegung sowie von Gewerkschaften, Parteien, Kirchen und Migrantenorganisationen gesprochen.
Unsere Quellen:
- Gespräch mit Friedensforscher Tobias Debiel
- Gespräch mit Willi van Oojen, Sprecher der Ostermärsche
- Aufrufe der Ostermarsch-Veranstalter
- Nachrichtenagenturen AFP, epd und dpa
- WDR-Recherchen vor Ort in Köln, Düsseldorf und Duisburg