Chemielobby kämpft für den Einsatz von PFAS: Mit falschen Behauptungen

Aktuelle Stunde 14.01.2025 19:33 Min. UT Verfügbar bis 14.01.2027 WDR Von Carsten Upadek

Jacke, Pfanne, Handy: In diesen Sachen stecken giftige Chemikalien

Stand: 14.01.2025, 20:47 Uhr

PFAS-Chemikalien sind äußerst nützlich, aber können auch krank machen. Wie stark sie in Alltag und Industrie verbreitet sind und wie man sich vor ihnen schützen kann - ein Überblick.

Von Jörn SeidelJörn Seidel

Es kann verwirren. Einerseits heißt es: PFAS-Chemikalien können die Gesundheit gefährden. Anderseits heißt es: Diese Stoffe sind allgegenwärtig - in Outdoor-Jacken, Teflon-Pfannen und Einwegbechern, aber auch in der Luft, im Wasser und in Lebensmitteln. Sind sie also wirklich so schlimm? Wo tauchen sie auf? Und was kann davor schützen? Fragen und Antworten:

Was sind PFAS-Chemikalien?

PFAS ist die Abkürzung für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen. Das sind etwa 10.000 Industriechemikalien. Sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie chemisch und thermisch sehr stabil. Ihre Anwendung ist weit verbreitet.

Wie schädlich sind PFAS-Chemikalien wirklich?

PFAS gelten als Ewigkeits-Chemikalien, denn sie sind biologisch nicht abbaubar. Sie reichern sich also in der Umwelt an. Für einige PFAS-Chemikalien ist bereits nachgewiesen, dass sie diese Krankheiten verursachen können:

  • Krebs
  • Leberschäden
  • Hormonstörungen
  • Schädigungen des Immunsystems

Die PFAS-Untergruppen PFOA, PFHxA und teilweise auch PFOS sind in der Europäischen Union bereits verboten. Weil ein Nachweis für jede einzelne Chemikalie zu aufwendig und zu langwierig wäre, wird in der EU derzeit diskutiert, sie komplett zu verbieten. Dieser Plan schreckt die Industrie seitdem auf.

PFAS Chemikalien in der Debatte

Arndt Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW

Arndt Kirchhoff, Präsident der Landesvereinigung der Unternehmensverbände NRW, sagte schon 2023 im Interview: "Natürlich weichen die Unternehmen dann aus. Das würde unter dem Strich Deindustrialisierung bedeuten, wenn wir bestimmte Rohstoffe hier nicht mehr erhalten und verarbeiten dürfen, solange es keine Ersatzrohstoffe gibt."

Ein Argument: Oft gebe es keine guten Alternativen zu PFAS. Unter Umwelt- und Gesundheitsforschern hingegen in die Ansicht weit verbreitet, dass ein umfassendes Verbot dieser Chemikalien sinnvoll wäre.

Wie nehmen Menschen PFAS-Chemikalien auf?

Menschen nehmen PFAS vor allem über die Nahrung auf. Die Chemikalien sind unter anderem in Böden, Trinkwasser und Futtermitteln nachweisbar und landen über die Umwelt in unseren Lebensmitteln - und sogar in der Muttermilch.

Zwar enthalten viele Alltagsprodukte PFAS. Bei richtiger Anwendung, zum Beispiel einer beschichteten Bratpfanne oder einer Outdoor-Jacke, setzen sich die Chemikalien in der Regel aber nicht oder nicht nennenswert frei.

PFAS-Chemikalien gelangen zum Beispiel dann in die Umwelt, wenn Produkte entsorgt werden. Dann landen sie im Wasser und in der Luft. Zum Teil gelangen PFAS auch direkt in die Umwelt, zum Beispiel durch Ski-Wachs und Imprägniermittel. Große Mengen werden auch in Fabriken freigesetzt.

In welchen Alltags-Produkten sind PFAS-Chemikalien enthalten?

PFAS-Chemikalien begegnen uns im Alltag häufig - aber nicht immer - zum Beispiel in diesen Produkten:

  • Outdoor-Kleidung
  • Wanderschuhe
  • beschichtete Pfannen, Backformen, Waffeleisen
  • Polstermöbel, Teppiche und Tischdecken mit Fleckenschutz
  • fettabweisende Gebäck- und Pommestüten
  • Mikrowellen-Popcorn-Tüten
  • Imprägniermittel für Textilien und Schuhe
  • Kinderwagen wie Buggys
  • Antibeschlagmittel für Brillen und andere Gläser
  • Zahnseide
  • Farben und Lacke
  • Fotopapiere und Klebeetiketten
  • Wachse und Schmiermittel, etwa Ski-Wachs
  • Kletterseile
  • Pflanzenschutzmittel
  • Feuerlösch-Schäume
  • Elektronikgeräte wie Smartphones und Computer

Darüber hinaus sind PFAS-Chemikalien in Medizinprodukten weit verbreitet, zum Beispiel in der Chirurgie und für Darmspiegelungen. Auch bei künstlichen Herzklappen sorgen sie dafür, dass diese reibungsfrei und langanhaltend funktionieren.

Wie kann man sich vor PFAS schützen?

Ein vollständiger Schutz vor PFAS ist nicht möglich, weil sich die Chemikalien bereits in der Umwelt angereichert haben. Man kann jedoch dafür sorgen, dass man PFAS weniger ausgesetzt ist.

Für viele Produkte gibt es Alternativen ohne PFAS-Chemikalien. Zwar gibt es keine Kennzeichnungspflicht. Oft werben Hersteller aber bereits damit, wenn zum Beispiel Kleidung oder Schuhe keine PFAS enthalten. Laut der Verbraucherzentralen deuten darauf Hinweise wie: "Frei von PFAS", "frei von PFC" und "fluorfrei".

Irreführend sind demnach Hinweise wie "PFOA/PFOS-frei" oder "GenX-frei". Das deute sogar eher darauf hin, dass PFAS-Chemikalien enthalten sind.

Damit insgesamt weniger PFAS-Chemikalien in die Umwelt gelangen und Menschen krank machen können, geht es nicht ohne Verbote durch die Politik. Wie weit sie gehen sollen, darüber wird in Brüssel derzeit hart verhandelt.

Unsere Quellen:

  • Umweltbundesamt
  • Bundesumweltministerium
  • Bundesinstitut für Risikobewertung
  • Europäische Kommission
  • Verbraucherzentrale NRW für das Netzwerk der deutschen Verbraucherzentralen
  • Einschätzungen von Prof. Dr. Martin Göttlicher, Prof. Dr. Henner Hollert, Prof. Dr. Thorsten Reemtsma, Prof. Dr. Andreas Schäffer, Prof. Dr. Christian Zwiener, Prof. Dr. Jan Hengstler und Prof. Rainer Lohmann über das Science Media Center

Über dieses Thema berichteten wir am 14.01.2025 auch im WDR-Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.