Wer in Deutschland allergisch auf Gräser reagiert, hatte es in den vergangenen zwei Jahren besonders schwer. Die Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) schreibt in ihrem neuesten Bericht, dass das Jahr 2022 das stärkste und 2023 das zweitstärkste Gräserpollenjahr seit 2001 war.
Werfen Allergiker einen Blick auf den PID-Pollenflugkalender für den westdeutschen Raum, dürfen sich gerade jene, denen Buche und Eiche besonders zusetzen, im Mai über das Ende der Hauptblüte von Buche und Eiche freuen, während etwa Kiefer und Gräser jetzt erst so richtig durchstarten.
Laut PID kommt es in Deutschland in den vergangenen Jahren aber immer häufiger vor, dass die ersten Pollen der neuen Saison nicht mehr auf den Beginn des neuen Jahres "warten", sondern schon um die Weihnachtszeit des alten Jahres in der Luft sind.
PID: "Pollensaison startete schon im Dezember"
So läuteten Hasel- und Erlenpollen (Purpurerle) die diesjährige Saison vielerorts schon im Dezember ein. Doch reichliche Niederschläge und ein nachfolgender Wintereinbruch stärkeren Pollenflug und hohe Belastungen mit Hasel- und Erlenpollen bis Ende Januar/Anfang Februar zunächst noch.
Der bisher sehr milde Februarverlauf führte jedoch zur Hauptblüte von Hasel und Erle und dem Auftreten von zahlreichen weiteren Pollenarten in der Luft, wie zum Beispiel Eibe, Pappel und Ulme.
Warum wird die pollenfreie Zeit immer kürzer?
Das liegt nach Angaben des Bundes-Umweltministeriums (BMUV) unter anderem an der Klimaerwärmung. Diese bewirkt, dass Pflanzen und Bäume früher blühen und dass es längere Pollenflugzeiten gibt. Am Pollenflugkalender der Stiftung Deutscher Polleninformationsdienst (PID) lässt sich ablesen, dass Pollenflug während des ganzen Jahres möglich ist und besonders Menschen mit mehreren Sensibilisierungen (zum Beispiel auf Hasel und auf Birke) darunter leiden.
Auch die PID erklärt die längere Pollensaison mit Stress durch den Klimawandel, dem die Bäume und Gräser ausgesetzt sind. Normalerweise produzieren Bäume ihre Pollen in schwankenden Mengen. Das heißt, in einem Jahr sind es mehr Pollen, im nächsten Jahr wieder weniger, weil sich die Bäume "ausruhen". Doch seit einigen Jahren ist die Pollenproduktion bei einigen Bäumen und Pflanzen gleichbleibend hoch - oder nimmt sogar zu, etwa bei der Hasel oder bei Gräserpollen.
Nicht nur die Pollensaison hat sich ausgeweitet, sondern auch die Pollen selbst verändern sich. In den vergangenen Jahren konnte sich die aus Nordamerika stammende Pflanze Ambrosia artemisiifolia, das beifußblättrige Traubenkraut, in weiten Teilen Deutschlands ausbreiten. Ihre Samen waren besonders vor einigen Jahren noch verstärkt in importiertem Vogelfutter enthalten. Sie blüht im Spätsommer, nach dem die Blütezeit des gemeinen Beifuß weitgehend abgeschlossen ist. Ihre Pollen zählen zu den stärksten Allergie-Auslösern.
Wie kann ich mich vor Pollen schützen?
Ein Allheilmittel bei der Behandlung von Heuschnupfen gibt es nicht. Um die Beschwerden zu lindern, können Allergiker Medikamente einnehmen, etwa Antihistaminika. Karl-Christian Bergmann leitet die Allergieambulanz an der Uniklinik Charité Berlin und ist Vorsitzender des Polleninformationsdienstes. Er sagt, dass die Allergie-Tabletten in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt und verbessert worden sind. Auch hinsichtlich typischer Nebenwirkungen wie Müdigkeit.
Bei der Immuntherapie habe es ebenfalls deutliche Fortschritte gegeben. Diese würde kaum noch mit Spritzen, sondern mit Tropfen oder Tabletten durchgeführt und sei bei weniger Nebenwirkungen genauso effektiv. Das regelmäßige Verwenden einer Nasenspülung mit Kochsalzlösung sei hilfreich, sagt Bergmann. Auch Pollennetze aus dem Baumarkt, die vor dem Fenster angebracht werden können, seien zu empfehlen.
Neben dem Haarewaschen nach dem Spaziergang sei auch das Wechseln der Kleidung nicht nötig, so Bergmann. Beim Aufenthalt im Freien sollten möglichst die Schleimhäute geschützt werden. So könne etwa das Tragen einer Sonnenbrille helfen.
Wie sieht die "moderne" Hilfe aus?
Der Polleninformationsdienst empfiehlt Apps wie die eigene "Pollenapp 5.0" oder die "Husteblume" von der Techniker Krankenkasse. Anhand von Pollenflug- und Luftschadstoffdaten berechnen diese das jeweilige Allergierisiko für den Tag. Sollte das hoch sein, können Betroffene vorsorgen. Auch die App CheckWise von der ECARF kann helfen. Zwar nicht bei Pollen-Allergien, aber sie erkennt laut ECARF mögliche Allergene in Lebensmitteln, Zusatzstoffe (E-Nummern), Duft- und Inhaltsstoffe sowie Zucker.
Besonders in städtischen Regionen können zudem moderne Luftreiniger helfen, die nicht nur Pollen, sondern auch Feinstaub filtern. Mittlerweile stehen tragbare Luftreiniger zur Verfügung, die wie ein Kragen um den Hals getragen werden und einen wirksamen Schutz vor Allergenen bieten.
Darüber hinaus gebe es eine neue Studie der Europäischen Stiftung für Allergieforschung (ECARF), bei der Probanden Probiotika (ausgewählte Bakterienstämme) zu sich genommen haben. Ergebnis laut Bergmann: "Darmbakterien können Menschen mit Allergien beeinflussen - und zwar positiver als noch vor ein paar Jahrzehnten gedacht".