Nach der Räumung und dem Abriss der Siedlung Lützerath haben am Sonntag rund 400 Menschen einen "Dorf-Spaziergang" in der Nähe des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler unternommen. Die Menschen seien von Keyenberg aus, wo noch rund 200 Klimaaktivisten auf einem Bolzplatz campieren, nach Süden in Richtung Lützerath gezogen, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage.
Die Polizei war mit größerem Aufgebot vor Ort, rechnete aber nicht mit Zwischenfällen. Die Spaziergänger seien friedlich, hieß es später. Es habe sich nicht um eine angemeldete Demonstration gehandelt, die Veranstaltung habe aber eine Tradition als waldpädagogischer Spaziergang. "Für uns ist alles gut", sagte ein Polizeisprecher in Aachen.
Zunehmend Kritik an Aktionen von Klimaschützern
Protestaktionen von Klimaschützern stoßen in den betroffenen Ortsteilen nach dem Eindruck des Erkelenzer Bürgermeisters Muckel zunehmend auf Kritik. "Nach meinem Eindruck kippt die Stimmungslage in den Dörfern ein bisschen", sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe demnach dort viel Müll und Graffiti. Nach Angaben des CDU-Politikers stimmen sich die Behörden gerade ab und versuchen, in den Dörfern für mehr Sicherheit und Ordnung zu sorgen.
"Viele Menschen sind aufgebracht"
Dies geschehe vor dem Hintergrund von früheren Protesten, bei denen ein Teil der Teilnehmer sich nicht an Regeln gehalten habe. Unter anderem habe sich bei einer Demonstration eine Gruppe getrennt und versucht, die abgeriegelte und zum Abriss vorgesehene Ortschaft Lützerath zu stürmen. Das habe die Polizei verhindert. Viele Menschen seien aufgebracht über Protestformen wie Ankleben oder das Abseilen von Brücken, berichtete Muckel. Das bekomme er von vielen per Mail und persönlich mitgeteilt.
Offener Brief von 45 Einwohnern
Die Bewohner der fünf Dörfer, die nicht mehr für den Tagebau Garzweiler II abgerissen werden müssen, haben diese Woche die Klimaaktivisten in einem Offenen Brief kritisiert. 45 Einwohner werfen den Aktivisten subtile Drohungen, diverse Einschüchterungsversuche und Hetzkampagnen vor. "Sie (die Aktivisten) rennen wie selbstverständlich in zwei Nächten durch die Dörfer, vermummt, schlagen Scheiben ein, beschmieren Wände und feuern Böller ab", heißt es unter anderem in dem Brief, der dem WDR vorliegt.
Für eine grüne Ratsfrau ist das Maß voll
Britta Kox hat den offenen Brief mitverfasst. Sie ist Ratsfrau bei den Grünen in Erkelenz und hat die Klimaaktivisten selbst lange unterstützt, sogar Proteste angeführt. Doch nun ist für sie und einige der hier lebenden Menschen das Maß voll. "Wenn es zu Gewalttaten kommt, wo Türen eingetreten werden, wo Fensterscheiben zerschlagen werden, wo in Häuser gekotet wird, das ist für mich nicht ziviler Ungehorsam. Das ist für mich ein Rechtsbruch, der nicht tragbar ist in meinen Augen", sagt Kox gegenüber dem WDR.
Initiative spricht von Einzelfällen
Milena Steinegger von der Initiative "Lützerath bleibt" verweist darauf, dass es mit den Menschen aus den Dörfern seit Jahren eine enge und gute Zusammenarbeit gebe. "Gleichzeitig gibt es sicher auch einige vereinzelte Menschen, die hier Dinge tun, die nicht willkommen sind in diesem Dorf, und die miteinander nicht so rücksichtsvoll umgehen. Doch grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass wir alle aufeinander Rücksicht nehmen und schauen, dass wir niemandem etwas zu Schaden kommen lassen", sagt die Aktivistin dem WDR.
Der Verein "Alle Dörfer bleiben" hat inzwischen auf die Vorwürfe reagiert: Er hat den Auftrag erteilt, die beanstandeten Graffiti zu entfernen.
Weitere fünf Dörfer bleiben bestehen
Im Westen von Erkelenz bleiben fünf Dörfer, die ursprünglich dem Braunkohletagebau weichen sollten, bestehen. Dort leben noch etwa 200 der ursprünglichen Bewohner. Vor Beginn der Umsiedlung waren es 1.500. Hinzu kommen derzeit etwa 300 Geflüchtete aus der Ukraine.
Mit einer Bürgerbeteiligung will die Stadt Erkelenz die neue Planung am Braunkohletagebau Garzweiler begleiten. Allerdings hat die Mehrheit der Bewohner schon verkauft und ist weggezogen. Nun wollen manche zurück in die alten Häuser, andere nicht, einige Bewohner sind die ganze Zeit geblieben.
Öffentliches Beteiligungsverfahren in Erkelenz geplant
Am 2. Februar beginnt in der Stadthalle von Erkelenz ein öffentliches Beteiligungsverfahren. Erste Ideen zu Landwirtschaft, Naturraum und Siedlungsraum sollen vorgestellt werden. Zusätzlich soll es ein Online-Beteiligungsverfahren geben. Besonders Umsiedler und Menschen, die in den Alt-Orten bleiben wollen, sollen gehört werden. Laut Plan soll der Stadtrat Mitte des Jahres eine Zukunftsvision für die Flächen beschließen.
Die fünf Dörfer im ländlichen Westen der Stadt sind verschieden: Dazu gehören Orte mit einem kleinen Zentrum, Kirche und alten Vierkanthöfen, andere sind eher kleine Straßendörfer. Durch die geänderten Pläne wurde der Tagebau in den letzten Jahren immer wieder verkleinert. "Das bietet Chancen, die wir durch den Prozess nutzen wollen", sagt Bürgermeister Muckel. 2030 soll die Förderung von Braunkohle im Rheinland zu Ende gehen.