Nach mehr als 30 Jahren Fahndung ist am Montagabend die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette (65) in Berlin gefasst worden. Sie stand mit dem Hinweis "gefährlich" oben auf der Liste der meistgesuchten Menschen Europas und wurde seit den 90er Jahren wegen verschiedener Verbrechen gesucht, darunter mehrere Raubüberfälle und versuchter Mord.
Nach Klettes mutmaßlichen Komplizen fahndet die Polizei weiter. Am Dienstag nahmen die Ermittler in Berlin zwar einen Mann fest, doch er wurde nach Überprüfung entlassen. Nach Informationen des LKA Niedersachsen handelt es sich nicht um einen der beiden noch flüchtigen mutmaßlichen RAF-Terroristen Burkhard Garweg oder Ernst-Volker Straub.
Was den Gesuchten vorgeworfen wird
Burkhard Garweg (55), Ernst-Volker Staub (69) und die festgenommene Daniela Marie Luise Klette (65) werden der sogenannten dritten RAF-Generation zugeordnet. Sie sollen den damaligen Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, und den Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder umgebracht haben. Täter und Motiv sind bis heute aber unbekannt.
Am 30. November 1989, drei Wochen nach dem Fall der Mauer, zerfetzt eine Bombe das gepanzerte Auto des Deutsche Bank-Chefs Alfred Herrhausen in Bad Homburg. Die RAF bekennt sich zu dem Anschlag. Detlev Karsten Rohwedder war am 1. April 1991 in Düsseldorf in seinem Haus am Schreibtisch erschossen worden. Das RAF-Kommando reklamierte die Tat für sich. Rohwedder wurde aus einer Kleingartenlage und mehr als 60 Metern Entfernung ins Visier genommen. Es war der letzte Mordanschlag, der der RAF zugeordnet wird.
Seither sind Klette, Staub und Garweg untergetaucht. Seit 2020 stehen sie auf der "Europe’s Most Wanted-Liste" von Europol, der Liste der meistgesuchten Verbrecher in Europa. Es existieren lediglich wenige Jahre alte Fotos aus einem Linienbus in Osnabrück. Nach Klette wurde zuletzt mit Fahndungsbildern aus den 80er Jahren gesucht.
Überfälle in Duisburg, Bochum und Löhne
Wie ihr Leben im Untergrund ablief, ist völlig unklar. Um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, sollen sie von 1999 bis 2016 mehrere Supermärkte und Geldtransporte überfallen und sich dabei auch des versuchten Mordes schuldig gemacht haben. Die Tatorte befanden sich unter anderem in Nordrhein-Westfalen:
- 30. Juli 1999 in Duisburg-Rheinhausen: Überfall auf einen Geldtransporter. Beute: mehr als eine Million Mark
- 27. Dezember 2006 in Bochum-Wattenscheid: Überfall auf einen Supermarkt. Beute: sechsstelliger Euro-Betrag
- 14. April 2009 in Löhne (Kreis Herford): Überfall auf einen Marktkauf. Beute: hoher Euro-Betrag
Weitere Überfälle soll es in Niedersachsen gegeben haben. Die Ermittler hatten den Verdacht, dass Klette, Staub und Garweg allmählich das Geld ausgeht und sie bald wieder schwer bewaffnete Überfälle mit Panzerfäusten oder Maschinengewehren begehen könnte. Oberstaatsanwalt Koray Freudenberg warnte im NDR zuletzt davor, dass bei einem neuen Raubüberfall womöglich Menschen sterben könnten.
Falscher Alarm in Wuppertal
Zuletzt war am 18. Februar in Wuppertal der Hauptbahnhof weiträumig abgesperrt worden, weil ein Augenzeuge glaubte, Ernst-Volker Staub in einem Zug erkannt zu haben. Der Verdacht bestätigte sich aber nicht.
Hat Daniela Klette in Köln gelebt?
Eine weitere Spur lieferte im Dezember ein Podcast des RBB. Dort berichtete ein Mann, Klette 2012 bei einem Treffen des Hackerkollektivs Anonymous kennengelernt zu haben, ohne ihren Namen zu kennen. 2017 soll sie ihn dann zu ihrer Geburtstagsfeier in ihre Wohnung in Köln eingeladen und sich dort mit dem Zeigen eines alten Fahndungsplakats mit RAF-Terroristen zu erkennen gegeben haben. Ob stimmt, dass Klette womöglich eine Zeit lang in Köln lebte, können nur die Fahnder aufklären.
Die "Rote Armee Fraktion" ist eine der wohl berüchtigsten Terrororganisationen der deutschen Geschichte. Bei Anschlägen oder Geiselnahmen haben ihre Mitglieder zwischen den 70er und 90er Jahren 34 Menschen ermordet. Fast 28 Jahre nach ihrer Gründung erklärt die RAF 1998 in einem letzten Schreiben ihre Auflösung. Mehr als 30 Morde gehen auf ihr Konto, teils gelten sie als nicht aufgeklärt. Dazu kommen Entführungen, Geiselnahmen und Bombenanschläge.
Etliche RAF-Mitglieder wurden zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt, zwei Dutzend wurden getötet oder nahmen sich selbst das Leben. Frühere Terroristen sind nach Verbüßung ihrer Haftstrafe oder nach Begnadigungen wieder aus dem Gefängnis entlassen worden, darunter Birgit Hogefeld, Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar.
Über dieses Thema berichten wir am 27.02.2024 auch im WDR Fernsehen und im Radio.
- Unsere Quellen:
- Nachrichtenagentur dpa
- Nachrichtenagentur AFP
- Bundeskriminalamt
- Europol
Über dieses Thema berichten wir im WDR am 27.02.2024 auch im Fernsehen: Aktuelle Stunde, 18.45 Uhr.