"Karneval - da bin ich schon immer ein Freund von", sagt Sidney Rahmel, während er in Mönchengladbach auf dem Alten Markt steht. Noch ist es ruhig, aber in wenigen Minuten wird der Veilchendienstagszug hier vorbei ziehen. Doch Rahmel ist nicht zum Feiern hier, auch wenn seine orange Perücke, die aufgemalte Clownsnase oder der bunt karierte Mantel das vermuten lassen könnten.
Beschreibung des Zuges für blinde Menschen
Rahmel ist als Reporter dabei. Gemeinsam mit seinen beiden Kollegen Stefan Birkenstock und Thomas Hörkens beschreibt er als Ehrenamtler den Zug, damit blinde und sehbehinderte Menschen auch teilhaben können. Kein leichter Job, weiß Rahmel: "Wir können ja selbst sehen und da ist es immer schwierig genau zu begreifen, wie wir das für blinde und sehbehinderte Menschen am besten beschreiben können. Es kommt drauf an, das Bunte zu beschreiben, die Kostüme - und das ganze so, dass sie sich das vorstellen können. Die Farbenpracht oder auch die einzelnen Kostüme."
Das Angebot gibt es in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal. Organisiert wird es vom Landschaftsverband Rheinland in Kooperation mit dem Mönchengladbacher Karnevals-Verband und der Borussia. Wer die Berichterstattung der drei Blindenreporter vor Ort hören möchte, kann sich vorher dafür anmelden. Dann werden für jeden Sehbeeinträchtigten ein kleiner Empfänger und Kopfhörer reserviert.
Genaue Erklärung der Kostüme
Und dann heißt es schon: "Der Zoch kütt!" Die Jecken begrüßen ihn mit einem dreifachen "Halt Pohl" - ein Ruf, der hier lange Tradition hat und die Treue zum heimischen Karneval symbolisiert. Und dann legen auch Rahmel, Birkenstock und Hörkens los. Die drei Reporter wechseln sich mit dem Beschreiben des Zuges ab.
"Da vorne kommen schon die Nächsten!", ruft Rahmel ins Mikrofon. "Mit neongelben Pullovern und grünen Latzhosen - so ist die Musiktruppe verkleidet, die ihr gerade hört." Der Zug geht schnell vorbei, deshalb müssen die Blindenreporter auch schnell sein mit ihren Beschreibungen. "Ich sehe da vorne ein paar Funkemariechen, die ein bisschen von ihrem eigenen Kamelle naschen. Schön, wenn man selbst der beste Kunde ist", beschreibt Rahmel und ein paar Menschen um ihn herum lachen. Dann übergibt er das Mikrofon an seinen Kollegen Birkenstock. Rahmel hat jetzt Zeit, ein bisschen durchzuatmen. Und ein bisschen zu feiern.
"Da kommt eine Fußtruppe, die sind komplett in pink. Pinke Shirts, pinke Hosen, pinke Mützen. Ich sehe hier sogar eine Frau mit pinken Haaren. 'Zukunft Pink' steht auf deren Oberteil", erzählt Birkenstock. Er schaut sich die Gruppe noch einmal genau an und ergänzt dann: "Das sind bestimmt 50 Leute, eine große Truppe. Deswegen dauert es ein bisschen, bis die nächste Truppe auftaucht. Ach, die haben Seifenblasen dabei! Wenn es in eurem Gesicht ein bisschen feucht wird, nicht wundern. Kein Regen, nur Seifenblasen."
"Ohne die Reporter wäre ich nicht hier"
Auch Norbert Bruchmann hat Kopfhörer in den Ohren und verfolgt die Beschreibungen der Reporter. Er war zuletzt beim Karneval, als er 18 war: "Ich war schon ewig nicht mehr beim Zug. Das war nichts, weil ich nichts gesehen habe", erinnert er sich. Der Korschenbroicher ist sehbehindert. Die Berichterstattung der Blindenreporter verfolgt er in diesem Jahr zum ersten Mal - und ist begeistert. "Ohne die Reporter bräuchte ich mir den Veilchendienstagszug nicht angucken. Ich würde nur sehen, dass etwas vorbeifährt, aber was auf den Wagen drauf ist oder die Kostüme, hätte ich nicht erkennen können."
Bruchmann ist froh, dass er in diesem Jahr endlich mal wieder den Zug in Mönchengladbach erleben konnte, und das nicht übers Fernsehen. "Die Stimmung ist vor Ort eine ganz andere mit den Menschen, die hier sind - es macht einfach Spaß." Seine Frau Ute Heister ist nicht sehbehindert, hat die Berichterstattung der Blindenreporter aber trotzdem verfolgt. Auch sie findet das Angebot gut: "Auch für Sehende ist das ein echter Mehrwehrt. So viele Infos zum Zug, ich habe so viel erfahren, was ich sonst nicht gewusst hätte."
Berichterstattung mit Herz
Sidney Rahmel, Stefan Birkenstock und Thomas Hörkens freuen sich über das gute Feedback ihrer Zuhörer. Aber auch ihnen selbst macht die Arbeit Spaß: "Es ist was Besonderes", meint Rahmel. "Man merkt, man macht was Gutes für die Menschen, die das nicht so erleben können wie wir, die wir sehen können."
Er und seine beiden Kollegen wollen auch im nächsten Jahr dabei sein - damit Karneval hier in Mönchengladbach wirklich für alle erlebbar ist.
Unsere Quellen:
- Reporterin vor Ort