Wie genau lief der Einsatz am Donnerstagvormittag ab?
Nach Auskunft der Polizei waren Polizei und Feuerwehr am Donnerstagvormittag in das Hochhaus an der Berliner Straße gerufen worden, weil sich einige Bewohner offenbar Sorgen um eine Nachbarin machten. Der Briefkasten der Frau, die im 10. Stock mit ihrem Sohn wohnt, würde überquellen, hieß es.
Als die Polizei dann mit Hilfe der Feuerwehr die Wohnung öffnen wollte, stießen sie zunächst auf eine Barrikade aus Wasserkästen. Als sie diese beiseite räumen wollten, wurde die Tür plötzlich von einem Mann von innen aufgerissen. Nach Aussage des verantwortlichen Polizeiführers Dietmar Henning schleuderte er brennende Flüssigkeit auf die Einsatzkräfte. Durch sie wurden fünf Einsatzkräfte lebensbedrohlich verletzt. Weitere vier Feuerwehrleute erlitten schwere Verletzungen. Die Menschen hätten den Einsatzort "selbst brennend" fluchtartig verlassen, sagte Henning. Zudem wurden 22 weitere Personen leicht verletzt.
Anschließend zeigte sich der Verdächtige auf dem Balkon seiner Wohnung und machte laut Henning "abwehrende Gesten" gegenüber der Polizei. Anschließend soll er sich selbst mit brennbarer Flüssigkeit übergossen haben und seine Wohnung in Brand gesetzt haben. Dennoch konnten Spezialkräfte der Polizei wenig später in die Wohnung eindringen und den Mann überwältigen. Dabei leistete er laut Henning "heftige Gegenwehr". Der Verdächtige wurde bei dem Einsatz aber entgegen ersten Meldungen nur leicht verletzt.
In einem zehnstöckigen Hochhaus in Ratingen (Kreis Mettmann) hat es am Donnerstagvormittag eine Explosion in einer Wohnung gegeben, bei der zwei Polizisten und sieben Feuerwehrleute teils lebensgefährlich verletzt wurden. Drei der Feuerwehrleute und die beiden Polizisten schweben in Lebensgefahr.
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Bei der späteren Untersuchung der Wohnung wurde die Leiche einer Frau gefunden. Bei der Toten handele es sich aller Voraussicht nach um die Mutter des Tatverdächtigen, so Innenminister Herbert Reul (CDU) am Freitag im WDR. Laut Staatsanwaltschaft ist die Identität der Frau aber immer noch nicht endgültig geklärt. Hinweise, dass es sich um ein Tötungsdelikt handeln könnte, gebe es aktuell nicht. Aufgrund des Zustands der Leiche gehen die Ermittler davon aus, dass die Frau schon mehrere Wochen tot ist.
Weitere Leiche im Hochhaus entdeckt - was dazu bekannt ist:
Nach Informationen der Ermittler ist am Donnerstag noch ein weiterer Bewohner des Hochhauses ums Leben gekommen. Demzufolge war der ältere Mann pflegebedürftig, konnte aber während des Einsatzes von Polizei und Feuerwehr nicht betreut werden. Mutmaßlich in diesem Zeitraum soll die Person gestorben sein - zu den näheren Umständen gibt es allerdings noch keine Informationen. "Der Spiegel" hatte zuerst berichtet.
Was wird dem Tatverdächtigen vorgeworfen?
Die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wertet die Tat als "versuchtes Tötungsdelikt". Der 57-Jährige wurde am Freitag einem Haftrichter vorgeführt. Gegen ihn wurde Haftbefehl wegen versuchtem Mord in neun Fällen erlassen. Hinweise auf eine Schuldunfähigkeit gebe es derzeit nicht, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Allerdings soll der Verdächtige dennoch kommende Woche psychologisch untersucht werden.
In einer Befragung habe er sich noch nicht zu den Tatvorwürfen geäußert, sagte Heike Schultz von der Polizei Düsseldorf am Freitag. Ebenso habe der Mann auf einen Anwalt verzichtet. Ihm sei ein Pflichtverteidiger an die Seite gestellt worden.
Laut Polizei wurden bei dem Mann außerdem mehrere Messer und eine sogenannte PTP-Waffe gefunden - darunter fallen Reizstoff-, Schreckschuss- und Signalwaffen.
Wie geht es den verletzten Einsatzkräften?
Bei der Explosion und dem anschließenden Feuer wurden insgesamt neun Einsatzkräfte schwer verletzt. Fünf von ihnen, darunter eine 25 Jahre alte Polizistin und ein 29 Jahre alter Polizist, schweben auch am Tag nach der Tat noch in Lebensgefahr. Nach Informationen der Ratinger Feuerwehr wurden die Schwerverletzten in Spezialkliniken in Köln, Duisburg, Dortmund, Düsseldorf und Bochum gebracht.
Fünf von ihnen mussten aufgrund der schweren Verletzungen in ein künstliches Koma versetzt werden. Teilweise erlitten sie Verbrennungen von bis zu 40 Prozent der Körperoberfläche.
Mit einem Appell richtete sich am Freitag NRW-Innnenminister Reul im Intranet der Polizei an die Beamten: "Für den Moment habe ich nur eine Bitte: Passen Sie gut auf sich und Ihre Kolleginnen und Kollegen auf!"
Was wissen wir über den Tatverdächtigen?
Bei dem Tatverdächtigen handelt es sich laut Polizei um einen 57 Jahre alten Mann, der mit seiner Mutter in der Wohnung gelebt haben soll, in der die Explosion stattfand. Laut NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) soll der Verdächtige bereits polizeilich in Erscheinung getreten sein.
Wegen eines nicht gezahlten Geldbetrags habe ein Vollstreckungshaftbefehl gegen ihn vorgelegen, sagte Laura Neumann, Sprecherin der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft, am Freitag.
Die Polizei erklärte am Freitag, es gebe Hinweise darauf, dass der 57-Jährige zur Corona-Leugner-Szene gehört. Inwieweit und ob dies mit der Tat in Verbindung steht, sei noch nicht geklärt. Außerdem soll er der sogenannten Prepper-Szene angehören. Die Wohnung habe den Eindruck gemacht, dass viele Vorräte angelegt worden seien, hieß es. Als Prepper werden Menschen bezeichnet, die sich teilweise in Erwartung einer großen Katastrophe intensiv auf den Ernstfall vorbereiten.
Was wissen wir bislang nicht?
Auch wenn vieles darauf hindeutet, ist noch immer nicht ganz sicher, ob der Verdächtige die Rettungskräfte planvoll in einen Hinterhalt gelockt hat. Diese Frage ist Teil der laufenden Ermittlungen. Die Aufklärungsarbeit wird jedoch dadurch erschwert, dass viele Beweise durch den Brand in der Wohnung zerstört wurden. Außerdem konnten die Einsatzkräfte, die bei der Explosion schwer verletzt wurden, bislang nicht als Zeugen vernommen werden.
Auch zum Motiv des Verdächtigen gibt es noch keine validen Informationen.