"Der Gesprächsbedarf in meiner Klasse ist groß", sagt Kader Erdoğan, Lehrerin am Käthe-Kollwitz Berufskolleg in Aachen. Sie hat eine Schülerin in ihrer Klasse, die Familienangehörige in Gaza hat und in einer Unterrichtsstunde per Telefon erfuhr, dass Familienangehörige gestorben sind.
"Sie ist zusammengebrochen und hat geweint", erzählt die Lehrerin, "Wir waren alle unter Schock". Das Erlebnis hat etwas mit der Klasse gemacht. Der Krieg war plötzlich nah. Mittlerweile geht es der Schülerin Basmala Ashqar wieder besser, aber das Thema beschäftigt sie rund um die Uhr: "Ich schäme mich richtig, wenn ich in unseren vollen Kühlschrank schaue, und meine Verwandten in Gaza haben nichts zu essen."
Viele ihrer Mitschüler haben einen Migrationshintergrund und sind Muslime. Eine jüdische Schülerin gibt es auch: Sarah Jebori macht die aktuelle Situation Angst. "Vor allem wenn ich dumme Sprüche höre, wie: die Juden sind Schuld an dem Konflikt." In der Klasse aber ist die Stimmung friedlich. Sarah und Basmala verstehen sich gut. Sie eint das Mitgefühl für das Leid der Palästinenser.
Raum für Emotionen schaffen
Heute geht es im Unterricht um die Emotionen. Die Schülerinnen und Schüler schreiben sie auf Kärtchen und stecken sie an eine große Pinnwand: Trauer, Wut, Angst, Frust ist zu lesen. "Mir ist es wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem meine Schüler:innen offen sprechen können über das, was in ihnen vorgeht", erzählt die 43-jährige Lehrerin, "denn dann kann ich das besser auffangen und helfen einzuordnen."
Kader Erdoğan möchte ihrer Klasse auch vermitteln, andere Meinungen und Perspektiven auszuhalten. Sie weiß, dass die Schüler viele Videos in den sozialen Medien zu dem Thema anschauen. "Die können sehr gewaltvoll und eher einseitig sein", erklärt die Lehrerin. Im Unterricht sollen die Jugendlichen ihre Informationsquellen aufschreiben und dann reflektieren.
Schweigen ist keine Option
Sie will dem Nahostkonflikt ein paar Unterrichtsstunden widmen, weil sie es wichtig findet, die Lebensrealität der Schüler aufzunehmen. "Wir können doch aus Angst vor Auseinandersetzungen bei dem heiklen Thema nicht einfach schweigen", findet sie. Zumindest in ihrer Klasse hat sie es so geschafft, dass alle respektvoll miteinander umgehen.
Unsere Quellen:
- Kader Erdoğan, Lehrerin am Käthe-Kollwitz Berufskolleg Aachen
- Reporterin vor Ort