Zu Beginn der Verhandlung blieb der Angeklagte demonstrativ sitzen, während alle Prozessteilnehmer aufstanden, als die Strafkammer den Saal im Düsseldorfer Landgericht betrat. Er verweigerte jegliche Aussage, selbst die Bestätigung seiner Personalien. Dem Angeklagten wird versuchter Mord in neun Fällen vorgeworfen.
Mehrere Liter Benzin auf Polizistin
Im Mai waren die Einsatzkräfte zu der Wohnung in einem Hochhaus in Ratingen gerufen worden, weil dort wegen eines übervollen Briefkastens eine hilflose Person vermutet wurde. Nach dem Stand der Ermittlungen öffneten Feuerwehrleute die Tür gewaltsam. Dann standen die Einsatzkräfte vor einer Barriere aus hochgestapelten Wasserkästen. Stutzig geworden sollen die beiden Polizeibeamten ihre Dienstwaffen gezogen und reingegangen sein.
Laut Anklage überschüttete der Angeklagte dann ohne Vorwarnung eine junge Polizistin mit mehreren Litern Benzin und entzündete den Brennstoff. Durch die explosionsartige Zündung seien die Polizistin, ihr Kollege sowie sieben Kräfte der Feuerwehr teils lebensgefährlich verletzt worden. Die am schlimmsten verletzte Polizistin ist nach wie vor in einer stationären Reha-Maßnahme.
Polizist dachte, Angeklagter will sich selbst anzünden
Als erster Zeuge trat der bei dem Einsatz verletzte Polizist auf. Der 30-Jährige schilderte eindrücklich die Situation. Im Verlaufe des Einsatzes habe er auch gesehen, wie der Angeklagte ein brennendes Stück Textil in der Hand gehalten habe. Er habe überlegt, ob er schießen solle, habe aber schließlich gedacht, dass der Mann sich selbst anzünden wolle.
Den eigentlichen Angriff habe er dann nicht gesehen, so der Polizist. Er könne sich nur an eine enorme Hitze erinnern und habe dann schwer verletzt einen Notruf abgesetzt. Allerdings hatte der Beamte seine Bodycam eingeschaltet.
Bodycam zeigt Szene – Gerichtssal schweigt
Die Aufnahmen wurden vor Gericht gezeigt. Zu sehen ist, wie eine Polizistin in einem Flur steht. Sie schreit: "Da ist einer drin! Da ist einer drin!" Plötzlich wird aus dem Nachbarraum eine große Menge Flüssigkeit auf ihren Kopf und Körper geschüttet. Eine Stimme, mutmaßlich die des Polizisten, schreit: "Der zündet sich an, alle raus!"
Im Gerichtssaal war es betreten still, während die Aufnahmen gezeigt wurden. Der Angeklagte schaute auf die Leinwand und zeigte ansonsten keinerlei Regung.
Motiv unklar für Angriff auf Ratinger Rettungskräfte
Der Angeklagte war wegen kleinerer Körperverletzungsdelikte zuvor bereits zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Weil er sie nicht zahlte, sollte er eigentlich kurzzeitig in Haft gehen. Ein Polizist hatte ihn zuletzt aber nicht angetroffen.
Weil sich der Mann bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert hat, ist sein Motiv für den mutmaßlichen Angriff unklar. Ermittler haben zwar Hinweise, dass er Verschwörungstheorien zugeneigt sein könnte. Die Tat erkläre das aber noch nicht. Nach seiner Festnahme stießen die Einsatzkräfte in der Wohnungs des Mannes auf seine tote Mutter. Die Staatsanwaltschaft sagt, dass sie wohl Wochen zuvor eines natürlichen Todes gestorben ist.
Explosion beschäftigt Ratinger Einsatzkräfte bis heute
Der 11. Mai beschäftigt die Ratinger Feuerwehr und die Polizei bis heute. Auch wenn das Geschehene nicht mehr ständig präsent sei, spiele es bei manchen Einsätzen noch eine Rolle, erzählt der Wachleiter der Polizei Ratingen, Frank Bauernfeind - zum Beispiel wenn die Kollegen an einer Tür klopfen würden.
"Sobald da jemand ruft „Moment noch bitte“, gehen die Kollegen drei Schritte zurück", erklärt der Polizist. Mit dem Prozessbeginn sei der Einsatz im Mai wieder täglich Thema in seinem Team.
Das Landgericht Düsseldorf hat für den Prozess zunächst neun Verhandlungstage bis zum 11. Januar angesetzt. Sollte der Angeklagte wegen versuchten Mordes verurteilt werden, könnte er eine lebenslange Haftstrafe bekommen. Die Staatsanwaltschaft hält ihn für voll schuldfähig.
Unsere Quellen:
- Staatsanwaltschaft Düsseldorf
- Landgericht Düsseldorf
- Wachleiter Polizei Ratingen Frank Bauernfeind
- DPA
- Beobachtungen unserer Reporter im Gericht