Der Messerangriff in Solingen, bei dem drei Menschen getötet und mindestens acht verletzt wurden, ist erst am späten Freitagabend passiert. Trotzdem hat an diesem Wochenende die Diskussion über Sicherheitsmaßnahmen rund um Straßen- und Volksfeste in NRW bereits begonnen.
Aktuell finden im Westen mehrere Großveranstaltungen statt, sei es das Schützenfest in Neuss, die Gamescom in Köln, das Hoeker-Fest in Herford oder das Aachener Sommerfest. Dazu kommt, dass in den kommenden Wochen zahlreiche Feste im Land beginnen sollen, wie unter anderem das Stadt- und Kulturfest in Bergisch Gladbach, der Bochumer Musiksommer (beide 6. - 8. September) und die Herbstkirmes in Viersen (14. September). Wie reagieren diese Städte auf den Angriff in Solingen?
Erste NRW-Städte sagen Feste ab
Einige Städte haben bereits ihre geplanten Feste abgesagt. Dazu gehört unter anderem Hilden, wo an diesem Wochenende das 'Fest der Kulturen' stattfinden sollte. "Auch aufgrund der Sicherheitslage, aber vor allem aus Mitgefühl für die Menschen aus unserer Nachbarstadt, haben wir uns entschieden, das Hildener 'Fest der Kulturen' abzusagen", so Bürgermeister Claus Pommer.
Haan sagte kurzfristig das Weinfest ab, das Samstag und Sonntag auf dem Park Ville d'Eu stattfinden sollte. "Wir können nicht feiern, wenn wenige Kilometer von uns entfernt unsere Nachbarstadt trauert", so Bürgermeisterin Bettina Warnecke.
Das Stadtfest in Siegburg, das noch bis Sonntag gefeiert wird, findet hingegen wie geplant statt. Und das, obwohl es dort am Freitagabend nach Informationen des Bonner Generalanzeiger einen Streit zwischen zwei Männern gegeben haben soll, in dessen Verlauf eine Machete zum Einsatz kam. Auf Anfrage des Generalanzeigers bestätigte die Polizei den Vorfall.
Neusser Schützenkönig Heusgen: Wir müssen feiern
Auch das Neusser Schützenfest soll wie geplant weitergehen. Niklas van Almsick, Mitglied im Tambourcorps Concordia Holzheim, das am Neusser Schützenfest teilnimmt, hält das für richtig. "Ich glaube, gerade in solchen Situationen muss man erst recht rausgehen und feiern", sagte der 24-Jährige im WDR 5 Morgenecho.
Auch Schützenkönig Christoph Heusgen hat eine klare Meinung. Dem WDR sagte er: "Wenn wir jetzt sagen würden: ''Nein, wir feiern nicht', dann hätten die, die unsere Gesellschaftsform ablehnen, gewonnen". Das dürfe nicht passieren, ist Heusgen überzeugt. "Deswegen müssen wir feiern."
Innenminister Reul: "Menschen dürfen jetzt nicht ängstlich sein"
Ähnlich äußerte sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU). Laut Reul ist es aber wichtig, mit Abstand darüber nachzudenken, welche Konsequenzen man aus dem Anschlag in Solingen ziehen könne. Dafür brauche man aber erst mehr Informationen. "Ich glaube, die Menschen dürfen jetzt nicht ängstlich sein", sagte Reul. "Das wäre das, was diejenigen wollen, wenn es eine politische Absicht war."
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat angeordnet, die Polizeipräsenz im gesamten Bundesland zu erhöhen - insbesondere dort, wo große Veranstaltungen stattfinden. Thorsten Fleiß vom Polizeipräsidium Düsseldorf hatte zuvor auf der Pressekonferenz zum Anschlag von Solingen gesagt: "Wir haben alle Kolleginnen und Kollegen noch einmal erheblich sensibilisiert zu der Gefahrensituation".
Mehr Video-Überwachung nötig?
Wäre mehr Überwachung mit Videokameras auf Festen und Kirmesveranstaltungen nötig, um für Sicherheit zu sorgen? Auf diese Frage antwortet NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im WDR-Interview, er sei bereit diese Diskussion zu führen. Er habe "manche Debatte über vermeintlichen Datenschutz, der wichtiger sei", nie verstanden.
Er befürchte aber, dass der Aufwand, ein Fest durchzuführen, dann so groß werde, "dass wir sie nicht mehr feiern". Alles müsse auch konkret mit Lösungsvorschlägen auf den Tisch, sagte Wüst. Aber man müsse auch ehrlich sein: "Wir wollen diese komplette Überwachung nicht. Viele Leute tun sich schon schwer mit dem, was wir jetzt schon machen und das muss in Abwägung gebracht werden."
Geteilte Meinung über Gamescom-Kontrollen
Auch auf der Gamescom wollen sich die Menschen den Besuch auf der Videospiel-Messe nicht durch die Vorfälle in Solingen verderben lassen. "Was da passiert ist, ist traurig", sagt Maurice Dogan. "Schlussendlich darf man sich davon nicht beeinträchtigen lassen, weil: Es passiert überall Mist." Irritiert waren er und sein Freund Rick Möbus jedoch darüber, dass die Einlasskontrollen der Gamescom eher lax waren. "Wir wurden leider nicht kontrolliert" so Möbus. "Ich denke, mehrere andere wurden auch nicht kontrolliert. Ich hoffe, es passiert nichts."
Dirk Leuchtner, der am Samstag auch auf der Gamescom war, fühlte sich hingegen sehr sicher. "Ich persönlich mache mir keine Gedanken", so Leuchtner im Gespräch mit dem WDR. "Man sieht viel Security und wir wurden anfangs kontrolliert. Da waren auch Metallscanner zu sehen."
Strenge Kontrollen sind laut Innenminister Reul jedoch nicht das einzige und Mittel, mit dem Anschläge wie in Solingen verhindert werden können. "Es gibt viele andere Formen, wo wir auch noch nacharbeiten und besser werden können", so Reul. Gleichzeitig gibt er zu bedenken: "Wollen wir wirklich eine Gesellschaft, wo jedes Fest, wo jeder Schulbesuch, wo jeder Kindergartenbesuch, wo jedes Fußballspiel kontrolliert wird am Eingang?", so Reul. "Das ist nicht meine Vorstellung von der Gesellschaft."
Unsere Quellen
- Interview mit Herbert Reul im WDR 5 Morgenecho
- Interview mit Niklas van Almsick im WDR 5 Morgenecho
- Interview mit Ministerpräsident Hendrik Wüst in der Aktuellen Stunde
- Internetseiten der Stadt Haan, Hilden und Siegburg
- Nachrichtenagentur dpa
- WDR-Reporterin auf der Gamescom in Köln
- Generalanzeiger zu Vorfall in Siegburg
- Pressekonferenz der Polizei und Staatsanwaltschaft zum Anschlag in Solingen
Über dieses Thema berichtet der WDR am 24. August 2024 auch im TV, unter anderem in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.