Eine Analyse zeigt ein komplexes Bild mit Licht und Schatten. Mehr als 1.100 gemeldete Kindeswohlgefährdungen allein in Wuppertal im vergangenen Jahr. Remscheid, mit deutlich weniger Einwohnern, kommt auf rund 500. Das erschreckt - auf den ersten Blick zumindest.
Denn nicht hinter jeder Meldung verbirgt sich ein misshandeltes oder schwer vernachlässigtes Kind. Diese Klarstellung ist Birgit Köppe-Gaisendrees sehr wichtig. Sie ist die Leiterin der Ärztlichen Kinderschutz-Ambulanz in Remscheid. Dort werden Fälle schwersten Kinderleids aus ganz NRW betreut und therapiert.
"Ich glaube, dass das Thema Kindeswohlgefährdung mittlerweile gesellschaftlich angekommen ist. Man steht nicht mehr ahnungslos davor. Ich erlebe, dass viel mehr Menschen überlegen: Was kann ich tun, wenn ich mitbekomme, wenn ein Kind schlecht behandelt wird."
Kindeswohlgefährdung ist ein Thema
In mehr als 60 Fällen waren Kinder im vergangenen Jahr allein in Wuppertal "akut gefährdet", mehr als 80 Mal waren sie "latent gefährdet". Hier kamen die Meldungen zu einer Kindeswohlgefährdung zu recht, das Jugendamt musste handeln. Hilfen konnten angeboten werden, im schlimmsten Fall musste die Inobhutnahme eines Kindes erfolgen.
Meldungen, die nur schaden sollen
Arbeit haben die Jugendämter so genug. Schlimm zu hören, dass sie sich auch mit angeblichen und falschen Meldungen einer Kindeswohlgefährdung "herumschlagen" müssen. Auch Tom Küchler von der Abteilung Jugend & Soziale Dienste der Stadt Remscheid kennt solche Fälle.
"Das sind Situationen, wo zum Beispiel Elternteile in Trennungssituationen von ihren Partnern angeschwärzt werden". Auch diesen Meldungen müsse man nachgehen, wie man überhaupt jede einzelne verfolgen müssen. "Wenn sich dann rausstellt, da ist nichts, ist das für uns nicht dramatisch."
Mögliche Dunkelziffer
Köppe-Gaisendress rät, die Zahlen zur Kindeswohlgefährdung mit Vorsicht zu genießen. Sie schließt eine Dunkelziffer nicht aus. Die Arbeitsbelastung der Kinderschutzambulanz sei sehr hoch. "Man muss natürlich auch sagen, dass wir nrw-weit arbeiten und nur die wirklich schweren Fälle zugewiesen bekommen. Ein Blick in unseren Terminkalender zeigt da, dass es eher mehr als weniger Fälle der akuten Kindeswohlgefährdung gibt."
Handeln statt Wegschauen
Ein Punkt ist der Kinderschützerin abseits aller Zahlen wichtig: Das Kindeswohl gehe jeden an. "Wenn ich zum Beispiel sehe, wie ein Kind in der Öffentlichkeit geschlagen wird - wie muss es ihm dann erst zuhause gehen?" Man müsse dann hinschauen, sich einmischen und einen solchen Fall von Kindeswohlgefährdung melden.
Unsere Quellen:
- Statistisches Landesamt NRW
- Ärztliche Kinderschutz-Ambulanz Remscheid
- Stadt Remscheid