Bei strahlender Sonne erklimmen Kinder den großen Spielturm, drehen sich auf einem kleinen Karussell oder Schaukeln auf dem Spielplatz am Fossilienweg in Mülheim-Broich. Mika kann aus seinem Kinderwagen nur zuschauen. Der 4-Jährige hat seit seiner Geburt eine gestige und körperliche Behinderung. Er kann deshalb nicht alleine laufen oder sich festhalten. "Es gibt hier keine Spielgeräte, wo Kinder mit Behinderung und ohne Behinderung zusammen spielen können", sagt sein Papa Andreas Holzinger.
Damit auch Mika ab und zu auf den Spielplatz kann, müssen er und sein Vater Strapazen auf sich nehmen: "Wir sind teilweise bis zu 40 Kilometer gefahren in andere Städte, wo wir dann vorher herausgefunden haben, dass es dort Spielgeräte gibt, die wir benutzen können."
Spielplatz in Mülheim soll inklusiver werden
Doch solche inklusiven Spielplätze sind teuer. Der Spielplatz in Mülheim, den Mika nicht benutzen kann, wird komplett umgebaut. Für mehr als 650.000 Euro entsteht unter anderem ein neues Klettergerüst, das auch Kinder, die im Rollstuhl sitzen, erklimmen können. Der Verein "Rolli Rockers Sprosslinge" sammelt Spenden, um zusätzlich ein Karussell für Rollstuhlfahrer anschaffen zu können. Der Verein hatte sich für den Umbau stark gemacht.
Außerdem wird der Ruhrtalradweg, der direkt am Spielplatz verläuft, hinter einen Zaun verlegt. Im Jahr 2027 zur Eröffnung der internationalen Gartenausstellung soll der inklusive Spielplatz fertig sein. "Das dauert seine Zeit, bis das Thema überall angekommen ist. Das ist ja auch immer nicht ganz einfach. Auch wir haben uns jetzt sehr viel Hilfe von Vereinen geholt, um die Fragen zu beantworten: Was ist denn eigentlich inklusiv?", sagt Jochen Schwatlo vom Amt für Grünflächenmanagement in Mülheim.
Inklusiv heißt für alle
Bei einem inklusiven Spielplatz geht es nicht darum, dass jedes Kind jedes einzelne Gerät benutzen können muss. Aber es geht um Teilhabe. Dafür dürfen Rampen, die auf Klettergerüste führen, für Rollstühle nicht zu steil sein. Sand unter den Spielgeräten verhindert, dass Kinder mit motorischen Einschränkungen sie erreichen. Außerdem sind zum Beispiel Ruherbereiche für Kinder mit Autismus wichtig.
Fast 80 Prozent der Spielplätze ungeeignet
Der WDR hat stichprobenartig in Städten im Ruhrgebiet angefragt. Es zeigt sich, dass es auch in anderen Städten bisher nur wenige vollumfänglich inklusive Spielplätze gibt. Städte wie Witten, Schwelm, Wetter und Bochum bilden Ausnahmen.
Bundesweit sieht es ähnlich aus. Im vergangenen Jahr haben die "Aktion Mensch" und das Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport eine Studie herausgebracht und dafür tausende Spielplätze begutachtet. Das Ergebnis: Fast 80 Prozent der Spielplätze in Deutschland sind nicht so gestaltet, dass Kinder mit Behinderung sie nutzen könnten.
Hohe Kosten für inklusive Spielgeräte
Bernd Niehaus vom Verein Rolli Rockers Sprösslinge ist wütend darüber: "Alle Kinder haben das Recht zu spielen. Jede Stadt hat eigentlich die Pflicht, was auch im Gesetz steht, dass auch Kinder mit Einschränkungen dort spielen können."
Manche Städte, wie zum Beispiel Witten und Marl, haben einzelne inklusive Spielgeräte. Die meisten Städte schrecken wegen der hohen Kosten zurück. Die Stadt Waltrop schreibt auf WDR-Anfrage: "Da reine inklusive Spielgeräte mit dazugehörigem Fallschutz in der Anschaffung hochpreisig sind, können diese oftmals nur im Rahmen von Fördermaßnahmen angeschafft werden." Einen inklusiven Spielplatz gibt es dort noch nicht.
Umdenken bei den Städten?
Die Stadt Waltrop hat allerdings ein passendes Förderprogramm gefunden, um den Spielplatz "Am Stutenteich" umzubauen: "Hier wird besonders darauf geachtet, dass die neuen Geräte von Rollstuhlfahrern genutzt werden können."
Es scheint sich ein Umdenken anzubahnen. Einige Städte antworten, dass sie konkrete Pläne für den Bau eines inklusiven Spielplatzes haben. In Duisburg befindet sich die Anlage "Am Ingenhammshof" in Obermeiderich in Umbauplanung, in Recklinghausen sei man in ersten Gesprächen mit Kooperationspartnern und in Oberhausen soll auf dem Spielplatz an der Glasstraße im nächsten Jahr ein inklusiver Spielturm mit akustischen und taktilen Elementen errichtet werden, bevor auch die Wasseranlage umgebaut wird.
Bis es flächendeckend Spielplätze für alle gibt, müssen Mika und sein Vater also noch warten. Bis dahin hilft aber jedes einzelne Spielgerät.
Unsere Quellen
- Pressestellen der Städte im Text
- Rolli Rockers Sprösslinge e.V.
- Aktion Mensch