ÖPNV-Streik im Westen
Aktuelle Stunde . 05.03.2024. UT. Verfügbar bis 05.03.2026. WDR.
Straßenbahnfahrer aus Essen erklärt: Darum streike ich!
Stand: 05.03.2024, 18:12 Uhr
Michael Ritter ist Straßenbahner und im Streik. Seit 15 Jahren arbeitet er bei der Ruhrbahn in Essen und Mülheim. Er liebt seinen Job. Aber er sagt auch: "Ich habe die Schnauze voll!"
Michael Ritter ist heute und morgen auf der Straße in Essen und nicht in der Straßenbahn. Er streikt, gemeinsam mit rund 400 Kolleginnen und Kollegen, die Busse und Bahnen fahren. Diesmal geht es nicht um höhere Löhne. Die Beschäftigten und die Gewerkschaft ver.di wollen vielmehr bessere Arbeitsbedingungen durchsetzen. Die Arbeitgeber sagen, dass der finanzielle Spielraum eng sei. Zusätzliche freie Tage würden bei dem Fahrermangel dazu führen, dass die dann noch vorhandenen Fahrerinnen und Fahrer mehr belastet würden. Was Straßenbahnfahrer Ritter wichtig ist bei diesem Streik, hat er uns in einem Interview erzählt.
WDR: Die Forderungen Ihrer Gewerkschaft sind ungewöhnlich, weil nicht mehr Geld gefordert wird, sondern bessere Arbeitsbedingungen. Welche Forderung ist Ihnen persönlich besonders wichtig?
Michael Ritter unterwegs mit Streikenden in der Essener Innenstadt
Michael Ritter: Ich persönlich habe wirklich die Schnauze voll. Wir werden kaputt gespart. Wir haben eine dermaßen hohe Arbeitsbelastung. Die Bürger wissen gar nicht, wie es bei uns aussieht. Sie denken, nach unserem Vertrag müssen wir 39 Stunden in der Woche arbeiten. Aber im Moment arbeiten wir mindestens neun Stunden, und zwar an sechs Tagen in der Woche.
Jeder kann selbst rechnen. Dazu kommen die Wege. Wir haben oft nur Ruhezeiten von 10, höchstens elf Stunden. Das funktioniert nicht. Wir, die Fahrerinnen und Fahrer von Bussen und Bahnen, müssen Menschen sicher von A nach B bewegen. Ich glaube nicht, dass Mütter und Väter wollen, dass ihre Kindern in Bussen und Bahnen sitzen, in denen die Fahrer völlig übermüdet sind.
WDR: Aber die Überstunden bekommen Sie doch bezahlt, oder?
Michael Ritter: Ja von wegen. Wir bekommen nichts bezahlt. Und wir können auch gar nichts abfeiern, weil wir kein Personal haben. Ich persönlich habe im Moment 120 Überstunden. Wenn ich mal anrufe, ob ich frei haben kann, dann wird immer erzählt: "Das geht nicht".
WDR: Weil nicht genug Fahrer da sind?
Michael Ritter: Ja, ganz genau. Wir fordern für alle, den ÖPNV auszuweiten und zu stärken. Da muss die Politik ran und mehr Geld zur Verfügung stellen. Auch Überstunden müssen von der ersten Minute bezahlt werden. Wenn ich heute – was regelmäßig vorkommt – eine Viertelstunde Verspätung habe und später in den Feierabend komme, dann wird das nicht bezahlt.
WDR: Wie sieht denn die Forderung genau aus, wenn es darum geht, die 39-Stunden-Woche zu verändern?
Michael Ritter demonstriert mit anderen Straßenbahnfahrerinnen und Fahrern in Essen
Michael Ritter: Wir sagen ganz klar, wir müssen von diesen Stunden runter. Der Arbeitgeber sagt, wir sollen 43 Stunden die Woche machen. Das würde bedeuten, wir arbeiten noch mehr. Wo soll das hinführen? Wir gehen jetzt schon auf dem Zahnfleisch.
Ich hoffe, dass die Verhandlungspartner das vom Tisch bekommen und die Politik auch mehr Geld freigibt. Bis 2030 werden uns 83.000 Fahrer fehlen – deutschlandweit. Wie soll das weitergehen? Bei diesen Arbeitsbedingungen will niemand im ÖPNV arbeiten.
WDR: Das heißt, Sie wollen gar nicht mehr Geld?
Michael Ritter: Es geht diesmal nicht ums Geld. Wir wollen bessere Arbeitsbedingungen. Und wir wollen, dass wir mehr Anerkennung bekommen von den Arbeitgebern. Denn die sehe ich im Moment echt überhaupt nicht.
Das Interview führte WDR-Reporter Uwe Dietz.
Eine Anfrage bei der Ruhrbahn Gmbh, zu den hier erhobenen Vorwürfen als Arbeitgeber Stellung zu nehmen, ist bisher nicht beantwortet worden.
Über dieses Thema berichten wir am 5.3. auch in der "Aktuellen Stunde" und in der Lokalzeit Ruhr.