Ali Yıldırım rückt die dunkle Wollmütze mit dem IG-Metall-Logo noch einmal zurecht und streicht den roten Schal glatt. "Wir haben noch lange nicht gezeigt, zu was wir in der Lage sind", gibt sich der 61-jährige Thyssenkrupp-Mitarbeiter angriffslustig. "Wir geben nicht auf. Niemals!"
Er weiß, wovon er redet. Der türkische Einwanderer kam 1991 zur Dortmunder Westfalenhütte, als die Firma noch "Hoesch" hieß. Der Kampf gegen die "feindliche Übernahme" durch Krupp-Chef Gerhard Cromme war sein erster großer Protest. Danach hat er alle Streiks, Sternmärsche und Blockaden mitgemacht. Gestoppt hat das den Jobverlust in Dortmund nicht.
Mehr als 20.000 Beschäftigte in einem Werk
Arbeiteten in besten Jahren (den 1960ern) mehr als 20.000 Menschen auf der Westfalenhütte, sind es heute noch rund 1.500 bei Thyssenkrupp. Die Rohstahlproduktion ist längst beendet. Von drei Stahlwerken ist Dortmund ein einziger Standort geblieben. "Aber der Arbeitsplatzabbau ist immer sozialverträglich gewesen. Wir haben den meisten Kollegen eine Jobperspektive bieten können", sagt Ali Yıldırım, der inzwischen der dienstälteste Betriebsrat auf der Westfalenhütte ist.
Beim neuen Thyssenkrupp-Chef Lopez vermisst er diese Kultur des Miteinanders. "Die haben sich einen vom Typ 'Kopfschlächter' als Manager ins Haus geholt", kritisiert er die Firmeneigentümer, u.a. die Krupp-Stiftung (Essen), die rund 20 Prozent der Firmenanteile hält.
Familien halten dem Werk die Treue
Alis Sohn Ramazan kam vor neun Jahren – nach einer Kfz-Mechatronikerlehre – ebenfalls zu Thyssenkrupp. "Das ist eine Firma, bei der es vernünftige, gut bezahlte Arbeitsplätze gibt, hieß es immer." Das gab für ihn den Ausschlag. Familiendynastien wie diese gibt es immer noch viele im Werk.
Nina Schmidt, eine junge Betriebsrätin, hat einen Bruder und ihren Vater im Werk. Der arbeitet nach einem Motorradunfall in einer werkseigenen Sozialwerkstatt. Ein Betriebsteil, der nicht auf "Profit" ausgelegt ist, sondern die soziale Verantwortung der Firma widerspiegelt.
Gewerkschaft und Betriebsrat glauben, dass es genau solche "freiwilligen" Leistungen sind, die Konzernchef Miguel Lopez in Dortmund streichen wird. Bei Services, Dienstleistungen und Verwaltung setzt er die Axt an. Sicherlich nicht bei den produzierenden Anlagen.
Arbeitsminister: Kann keine Jobs retten
Dazu gehört etwa die "Feuerbeschichtungsanlage 10", die erst vor zwei Jahren für eine Viertelmilliarde Euro in Betrieb genommen wurde. Hier werden Bleche für die Autoindustrie in einem Zinkbad veredelt. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hatte die Anlage in der vergangenen Woche bei einem Wahlkampf-Kurzauftritt besucht. Nina Schmidt erzählte Heil dabei von ihren Sorgen.
Der Minister war ehrlich zu ihr. "Ich kann die Jobs nicht retten. Das ist eine Entscheidung des Managements. Aber ich kann als Staat gute Entscheidungen flankieren, zum Beispiel mit Subventionen." Dann ließ der SPD-Minister dem Thyssenkrupp-Management noch einen guten Ratschlag zurück. Man solle sich mal Volkswagen zum Vorbild nehmen. Dort – in Heils Heimatregion – haben man nach zähem Ringen zwischen Werksleitung und Belegschaft eine sozialpartnerschaftliche Lösung gefunden und akute geplante Werksschließungen verhindert.
Zustimmung bei Ramazan Yıldırım, der in der "FBA 10" arbeitet. Aber wenn der ungeliebte Konzernchef seinen harten Kurs behalten würde, wäre auch der junge Yıldırım kampfbereit. "Die da oben wissen gar nicht, zu was wir Stahlarbeiter in der Lage sind."
Über dieses Thema berichtet der WDR am 31.01.2025 auch im Fernsehen in der WDR-Lokalzeit aus Dortmund.
Unsere Quellen:
- Reporter vor Ort