"Singen ist mein Leben": So fand Margarita aus der Ukraine wieder Lebensfreude
Stand: 13.05.2023, 20:56 Uhr
Am Samstag fand in Witten ein laut Veranstalter in NRW bislang einmaliger Talentwettbewerb statt: Geflüchtete Kinder und Jugendliche aus der Ukraine zeigten ihre Gesangskünste. Ein besonderes Erlebnis für die 16-jährige Margarita.
Von Daniel Chur
„Singen ist mein Leben.“ Wenn man Margarita Tuschkanova zuhört, glaubt man ihr das sofort. Die 16-Jährige aus der ukrainischen Stadt Mariupol wird in wenigen Minuten zum ersten Mal im Wittener Saalbau auf der Bühne stehen.
Margarita wartet in einem weißen Kleid etwas nervös am Backstage-Zugang zur Bühne auf ihren Auftritt. Mit ihr warten andere Mädchen in ihrem Alter. Manche tragen glitzernde Paillettenkleider, andere traditionelle ukrainische Trachten. Auf dem Gang laufen Leute eilig hin und her. Mitten in der Hektik: Ein junger Ukrainer im Frack, der seine Opernstimme trainiert.
Krieg bremste Musikleidenschaft aus
„New Names“ heißt der Musik-Talentwettbewerb, an dem sie teilnehmen. Rund 80 ukrainische Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland sind dabei, um vor einer deutsch-ukrainischen Fachjury zu singen – ob nun Popballaden, Chor- oder Operngesang, auch Tanzen ist eine Disziplin. Die Ukrainehilfe und die Musikschule in Witten veranstalten den nach ihren Angaben in NRW einmaligen Event.
Für Margarita ist die Veranstaltung etwas ganz Besonderes. Die Bühne, der große Auftritt – das ist ihr nicht fremd. Zehn Jahre sang sie bereits bei solchen Musikwettbewerben in der Ukraine, die dort große Tradition haben. Dann kam der Krieg.
„Meine Eltern und ich sind in Mariupol einfach ins Auto gestiegen und haben alles zurückgelassen“, erzählt sie. Jetzt lebt sie in Witten, weil ihre damalige Musiklehrerin aus Mariupol auch hierhin geflüchtet ist.
„Schmerz heraussingen“
„Diese Kinder haben alles verloren – Schule, Freunde, ihre Heimat“, sagt Olga Tape von der Wittener Ukrainehilfe. „Dadurch, dass wir sie hier fördern, kommen sie wieder in einen Alltag. Beim Singen können sie auch ihren Schmerz heraussingen.“
Nun wird Margarita aufgerufen. Im schnellen Schritt geht sie auf die Bühne, greift zum Mikrofon. Scheinwerfer und Augen sind auf sie gerichtet. Einige hundert Zuschauer und die Jury sind gespannt.
Margarita bei ihrem Auftritt
Margarita singt eine Popballade auf Ukrainisch. Voller Leidenschaft, manchmal mit geschlossenen Augen singt sie diesen Song. Auch die höchsten Töne trifft sie perfekt. Die Stimmung bei ihr und allen anderen im Saal ist hochemotional. Langer Applaus nach drei Minuten.
Immer präsent: Der Krieg
„Als ich auf die Bühne ging, war ich noch aufgeregt. Aber als der Song losging, konnte ich alles herauslassen,“ sagt Margarita direkt nach dem Auftritt sichtlich erleichtert. Zwei weitere Lieder wird sie im Laufe des Nachmittags noch singen, bevor die Jury ihr Urteil abgibt.
Zwischen den Auftritten wird viel geredet. Auch über die Heimat, sagt Margarita: „Wenn wir uns hier treffen, fragen wir uns schon gegegenseitig: Woher kommst du? Was hast du erlebt? Was ist in deiner Stadt passiert?“ Nachdenkliche Momente an einem insgesamt sehr fröhlichen Nachmittag.
Für Margarita endet der Tag dann schließlich sogar mit großem Jubel. Die Jury urteilt am Abend: Platz 1 für die 16-jährige in ihrer Altersgruppe. Trotz des Erfolgs gibt sie sich bescheiden: „Ich möchte mit dem Singen den Menschen einfach nur ein Lächeln ins Gesicht zaubern.“ In Zukunft am liebsten auch wieder in der Ukraine, sagt sie. Wenn der Krieg hoffentlich eines Tages vorbei ist.
Über dieses Thema haben wir am 12.05.2023 bei WDR 2 in der Lokalzeit Rhein/Ruhr berichtet.