Das Entsetzen über den tödlichen Polizeieinsatz ist in der Nachbarschaft in Dortmund groß. Und die Angst vor der Polizei auch. Einige Anwohner in der ruhigen Siedlung im Stadtteil Scharnhorst wollen zwar über das, was sie erlebt haben, sprechen, aber niemand möchte mit seinem Namen genannt werden. Sie kritisieren den tödlichen Einsatz und sagen, so, wie es von der Polizei und in den Medien geschildert werde, sei es nicht gewesen.
"Der hat hier auf der Straße nicht randaliert"
Nach ersten Angaben der Dortmunder Polizei sind Kräfte im Rahmen dieses Einsatzes "gegen 13:20 Uhr zur Unterstützung zu einem Randalierer" gerufen worden. Diese Darstellung ärgert und irritiert viele Nachbarn: "Wir möchten, dass er nicht als Randalierer hingestellt wird, was er nicht war. Wir glauben auch, dass die Polizei unserer Meinung nach grundlos geschossen hat. Das hätte man anders regeln können".
Die Frau, die das sagt, hat den ganzen Einsatz miterlebt, so wie viele in der Straße. Insgesamt fünf Augenzeugen erzählen, dass ihr Nachbar zwar irgendwann mit einem Messer in der Hand aus seinem Haus gekommen sei, er dort aber nicht randaliert habe. Er habe immer wieder gefragt: "Was wollt ihr? Was wollt ihr von mir?"
Nachbar spricht von "Chaos"
Auf seine Fragen habe er von den Polizisten aber keine Antwort bekommen, die sich zu diesem Zeitpunkt rund um den Eingang des Reihenhauses, in dem der Dortmunder gelebt hat, aufgestellt hatten. Einige Nachbarn hätten versucht zu helfen, "zum Najib zu gehen, ihn dazu zu bewegen, das Messer wegzulegen", das habe die Polizei aber untersagt. Ein Anwohner beschreibt die Situation als pures "Chaos": "Alle haben durcheinander geschrien".
Najib B. sei in seiner Siedlung beliebt gewesen, beschreiben die Anwohner - habe geholfen, wo er konnte, sein Motorrad geliebt und das Grillen im Sommer. Wirklich aggressiv sei er nie gewesen, eher hilfsbereit.
70-Jähriger hatte Epilepsie
Nach WDR-Informationen litt der 70-Jährige an Epilepsie. Er soll am Freitagvormittag drei Anfälle gehabt haben, bevor der Notarzt gerufen wurde. Die Retter können ihn schnell stabilisieren, weil er anscheinend geschwächt ist, sei geplant worden, ihn in ein Krankenhaus zu bringen. Das habe der Dortmunder abgelehnt, durchaus laut. Er soll Angst vor einem Krankenhausaufenthalt gehabt haben. Die Rettungskräfte haben dann offenbar die Polizei gerufen.
Kurz darauf soll sich Najib B. dann ein Küchenmesser genommen und die Rettungskräfte damit bedroht haben. Die seien vor die Tür gelaufen, erzählen die Nachbarn. Vor dem Haus sei immer mehr Polizei angekommen. Irgendwann sei der Rentner dann raus gekommen. Laut Dortmunder Staatsanwaltschaft sei er mit einem Küchenmesser "schnellen Schrittes" auf die Einsatzkräfte zugegangen.
Die Anwohner beschreiben, dass ihr Nachbar nach seinen Anfällen geschwächt gewirkt habe. Außerdem habe er nach einem Motoradunfall eine Gehbehinderung gehabt. Eine Nachbarin sagt: "Für mich, also ganz ehrlich, der war nicht schnellen Schrittes, der ist getaumelt, mehr oder weniger, also er hat sich nicht schnellen Schrittes auf die Polizei zubewegt".
Vier Polizisten richten Waffe auf 70-Jährigen
Laut Staatsanwaltschaft seien vier Polizisten beteiligt gewesen und alle vier sollen nach Angaben der Staatsanwaltschaft ihre Waffe auf den 70-Jährigen gerichtet haben.
In dem Moment, als der Schuss fällt, soll er sich laut einer Nachbarin nicht bewegt haben, sie sagt, sie habe nur wenige Meter vom Geschehen entfernt gestanden. Eine andere Frau sagt: "Definitiv hätte man nicht schießen müssen. Es hätte andere Möglichkeiten gegeben, ihm die Waffe wegzunehmen. Er stand. Er stand am Auto".
Zu den Schilderungen der Nachbarn konnte sich die Dortmunder Staatsanwaltschaft am Montag nicht äußern. Aus Neutralitätsgründen ermittelt die Polizei Recklinghausen.
Unsere Quellen:
- WDR-Recherchen
- Gespräche mit Augenzeugen
- Pressemitteilung der Polizei Dortmund
- Nachrichtenagentur dpa
- Staatsanwaltschaft Dortmund