30 Jahre "Die Siedler von Catan": Wie Spiele uns zusammenbringen

Stand: 11.03.2025, 06:00 Uhr

Seit drei Jahrzehnten prägt das Kult-Brettspiel "Die Siedler von Catan" (seit 2015 "Catan – Das Spiel") die Gesellschaftsspielkultur in Deutschland und weltweit. Besonders in schwierigen Zeiten, wie der Corona-Pandemie, bringen Gesellschaftsspiele Menschen näher zusammen. Warum ist das so?

Als Klaus Teuber am 2. Februar 1995 auf der Spielwarenmesse in Nürnberg "Die Siedler von Catan" (seit 2015: Catan - das Spiel) vorstellte, hätte er nicht gedacht, welchen Siegeszug dieses Spiel annimmt. Denn was der gelernte Zahntechniker damit entfachte, war nicht weniger als eine Revolution auf dem Spielemarkt.

Lust auf Brettspiele WDR Studios NRW 11.03.2025 03:31 Min. Verfügbar bis 11.03.2027 WDR Online

Mittlerweile hat jeder fünfte Haushalt das Spiel im Schrank - ein Verkaufshit. Bei "Catan" sammeln die Spieler Rohstoffe und bauen damit Straßen und Siedlungen. Nach und nach setzen sie so eine immer neue Landkarte aus sechseckigen Plättchen zusammen – und lernen sich dabei kennen. Seither ist das Spiel ständig weiterentwickelt worden. Das Prinzip aber bleibt:

Spieleerfinder Klaus Teuber mit seinem Blockbuster-Spiel "Die Siedler von Catan" | Bildquelle: picture-alliance / dpa

"Ich sehe meine Mitspieler, bekomme ihren Ärger mit, ihre Emotionen – ihr Wesen", sagte der inzwischen verstorbene Klaus Teuber 2020 dem WDR. "Beim Spielen lernt man Menschen besser kennen, als wenn man ein halbes Jahr zusammen verbringt." Das Spiel kommt also erst in Gang, wenn die Spieler miteinander Handel treiben, interagieren, gemeinsam etwas aufbauen.

Brettspiele als Spiegel der Gesellschaft

"Gerade bei den Siedlern von Catan sehen wir, wie Spiele ein Abbild der Gesellschaft sind. Wie sie die Gesellschaft und die damit auch Kinder und soziale Gemeinschaften prägen", sagt Prof. Jens Junge. Er ist Direktor des Instituts für Ludologie (Spielwissenschaften) in Berlin. Der Experte für Spieleforschung sagt: Hinter vielen Brettspielen steckt viel mehr, als es auf den ersten Blick scheint. So auch bei "Catan".

Der Autor, Klaus Teuber, habe damals die Idee gehabt, "dass wir eben nicht nur irgendwie ein permanentes Gegeneinander in Spielen organisieren, sondern dass das Gespräch, dass das Miteinander, ein zentrales Element ist". Dass man sich austausche, dass man die anderen im Blick habe, dass man aber auch eigene Strategien entwickele, aber auch guckt, wie man am Spieltisch mit den anderen Teilnehmern interagieren kann.

Das war das Neue, dass so ein German-Bord-Game sich etabliert hat und damit tatsächlich ein großer Vorsprung aus Deutschland in die ganze Brettspiel-Community weltweit losgetreten worden ist. Spieleforscher Prof. Jens Junge

Brettspiele boomen – auch nach der Pandemie

Seither hat sich "Catan" zum Blockbuster entwickelt: Mehr als 40 Millionen Spiele hat der Kosmos-Verlag bisher verkauft - übersetzt in mehr als 40 Sprachen und in 70 Ländern. Damit gehört es in die gleiche Kategorie wie "Mensch ärgere dich nicht", "Uno" oder "Monopoly". Regelmäßig finden sogar Weltmeisterschaften statt, die nächste Anfang April in Stuttgart.

Deutschland gilt ohnehin als Vorreiter der Spielebranche. Und so verwundert es nicht, dass vor allem während der Corona-Pandemie der Markt boomte. "Natürlich war die Pandemie ein Peak, weil alle zu Hause saßen und gespielt haben. Man durfte ja nicht so arg viel unternehmen. Das Schöne ist: Es haben während Corona sehr viele Leute zum Spielen gefunden, die das auch danach beibehalten haben", sagte Carol Rapp, Geschäftsführerin der Messe Spiel, im Oktober vor der Spielemesse in Essen dem MDR.

Kamen vor 30 Jahren noch so etwa 200 bis 300 Spiele pro Jahr auf den Markt, sind es laut Spieleforscher Junge mittlerweile bis zu 1500. Er selbst hat knapp 61.000 in seiner Sammlung. Aktuell im Trend: Spiele für eine oder zwei Personen. Und solche, bei denen es um gesellschaftliche Themen wie Natur, Umwelt und Nachhaltigkeit geht. "Das ist ein anderer, spielerischer Zugang und was anderes, als wenn ich ein Sachbuch lese", sagt Spieleforscher Junge.

Brettspiele als Auszeit von digitalen Medien

Jens Junge | Bildquelle: Justus Junge

Zudem sei die stetig wachsende Brettspielbranche ein Ausgleich für die immer digitalere Welt. "Wir merken inzwischen, dass immer mehr Menschen durch die digitale Entgiftung gerne abends das Handy beiseite legen und ein Brettspiel spielen. Das Spielerische wird wichtiger und viele merken, dass wir Menschen mehr sind als nur acht Stunden am Tag fünf Handbewegungen am Fließband zu machen."

Das sieht auch Hermann Hutter so. "Das Bedürfnis nach Gemeinschaft, die temporäre Flucht aus dem Alltag, Stressabbau, das Trainieren von Soft-Skills, Gehirn-Jogging, das Eintauchen in Rollenspiele sowie direkte Interaktion und der Spaßfaktor zählen zu den wichtigsten Triebfedern", sagt der Vorsitzende des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie.

Der Markt für Karten- und Brettspiele hat sich nach Angaben des Verbands der Spieleverlage nach zehn Jahren mit einem rasanten Wachstum zuletzt etwas abgekühlt. Von Januar bis August 2024 sei die Branche noch um 0,9 Prozent gewachsen. Vor allem Party- und Wissensspiele seien im Moment die stärksten Umsatztreiber für die Verlage. In Deutschland werden den Angaben zufolge pro Jahr rund 70 Millionen Gesellschaftsspiele verkauft.

Vor dem Hintergrund der schwächelnden Wirtschaft in Deutschland sei die Entwicklung der Spielebranche trotzdem positiv und ein Indikator dafür, dass Spiele immer breitere Zielgruppen ansprechen. "Gesellschaftsspiele werden für zunehmend mehr Menschen zum Hobby", sagt Verbandschef Hutter, "was sich unter anderem daran zeigt, dass Spiele-Abende immer beliebter werden."

In einer repräsentativen Umfrage der GfK für die Stiftung für Zukunftsfragen gaben 13 Prozent der Bundesbürger an, wenigstens einmal pro Woche zu spielen. Vor zehn Jahren waren es nur acht Prozent. Besonders Familien (24 Prozent) und junge Erwachsene (21 Prozent) spielen demnach gerne.

Spiele fördern das Miteinander und soziale Beziehungen

Die Stiftung nennt ähnliche Gründe wie der Forscher und der Verbandschef, warum Gesellschaftsspiele immer noch so beliebt sind. "Sie bieten nicht nur Spaß und Abwechslung vom Alltag, sondern fördern auch das Miteinander und stärken soziale Bindungen." Gerade in einer zunehmend digitalisierten Welt böten sie vielen Bürgern eine willkommene Gelegenheit, offline Zeit miteinander zu verbringen.

"Zudem weckt das Spielen von analogen Spielen eine Vielzahl von Emotionen, von Überraschung über Anerkennung bis hin zu Erfolg oder auch Enttäuschung." Nicht zu unterschätzen sei auch der Bildungseffekt beim Spielen - sei es die Förderung kognitiver Fähigkeiten, das Erlernen von strategischem Denken, der Umgang mit Regeln oder die Fähigkeit auch einmal verlieren zu können.

"Das Spielen ist letztlich ein Urtrieb. Dabei durchlaufen wir alle dieselben Entwicklungsstufen des Spielens. Als Kind können wir uns nur so die Welt erklären, sie erfahren. Spiele machen uns gesund, glücklich und schlau." Prof. Jens Junge

So wie bei "Die Siedler von Catan" - und das seit mittlerweile 30 Jahren.

Deutscher Catan-Meister Daniel Ackermann im Interview WDR Studios NRW 11.03.2025 07:15 Min. Verfügbar bis 11.03.2027 WDR Online


Unsere Quellen:

Über dieses Thema berichten wir am 11.03.2025 auch im Radio und Fernsehen.