Die Zahl der täglich gemeldeten Corona-Neuinfektionen in Deutschland hat einen neuen Höchststand erreicht. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz lag laut RKI bei 154,5. Am Vortag hatte der Wert noch bei 146,6 gelegen.
Wüst will Testpflicht für Heim-Besucher und -Mitarbeiter
Angesichts dieser Entwicklung beraten am Donnerstag die Gesundheitsminister von Bund und Ländern in Lindau am Bodensee, wie die vierte Corona-Welle gebrochen werden kann. Diskutiert wird auf der zweitägigen Konferenz, wie mehr Menschen zu Auffrischungsimpfungen bewegt werden können. Auch eine allgemeine Testpflicht in Pflegeheimen steht auf der Agenda.
Nach dem geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich auch NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (beide CDU) für verpflichtende Corona-Tests für Besucher und Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen ausgesprochen. "Es muss es geben, damit wir gut durch diesen Winter kommen", sagte Wüst am Mittwochabend in den "Tagesthemen". Die Fehler zu Beginn der Pandemie dürften nicht wiederholt werden, als Menschen einsam gestorben seien.
Patientenschützer kritisiert 2G-Regel
Indes kehren immer mehr Einrichtungen derzeit unter der 2G-Regel zum Normalbetrieb zurück. Getestet wird dort also nicht. In Pflegeheimen sei 2G alleine keine Option, sagte Patientenschützer Eugen Brysch am Donnerstag im WDR-5-"Morgenecho": "Wir wissen, wo die Impfung Grenzen hat." Auch Geimpfte und Genesene könnten das Corona-Virus weiterverbreiten. Besonders gefährdet seien Menschen mit geschwächtem Immunsystem.
Es gebe ein "plausibles Mittel", um das Virus zu stoppen. "Das sind die täglichen kostenlosen Tests für Geimpfte und Nicht-Geimpfte, sowohl in der ambulanten und stationären Pflege."
Impfpflicht für Pflegepersonal?
Noch mehr Sicherheit gäbe es für die Gefährdeten, wenn im Pflegebereich nur Geimpfte arbeiten würden. Denn Geimpfte infizieren sich nicht nur seltener als Ungeimpfte, sie können das Virus auch nur über einen kürzeren Zeitraum übertragen, als Ungeimpfte.
Mehrere Todesfälle in Pflegeeinrichtungen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben deshalb in den letzten Tagen die Debatte über eine Impfpflicht für das Pflegepersonal angeheizt. In beiden Fällen war offenbar ein großer Teil der Pflegekräfte ungeimpft. Bundesgesundheitsminister Spahn hat eine solche Pflicht erneut abgelehnt. Seine große Sorge sei, dass bei einer verpflichtenden Impfung das bislang ungeimpfte Pflegepersonal kündige.
Auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, und der Deutsche Pflegerat lehnen eine Impfpflicht ab.
Hausärzteverband: "Kein Ungeimpfter darf Kontakt haben"
Der Vorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, hingegen forderte eine verpflichtende Corona-Impfung für alle Mitarbeiter im Pflegesektor. "Kein Ungeimpfter darf Kontakt zu einer derart vulnerablen Gruppe haben, weder beruflich noch als Besucher. Das gilt für Senioren- und Pflegeheime wie für Intensivstationen“, sagte Weigeldt am Donnerstag der "Bild"-Zeitung.
Ethikrat: Politik muss sich einmischen
Was passiert also mit jenen, die sich nicht freiwillig gegen Corona impfen lassen wollen? Reicht es aus, an die Vernunft der Einzelnen zu appellieren oder braucht es eine Einmischung der Politik?
"Eine Pandemie ist keine Privatsache", sagte Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" und zitierte damit den Titel eines Papiers der österreichischen Bio-Ethikkommission. "Wenn wir möglichst viele Menschen vor Leid und Krankheit bewahren wollen, können wir nicht einfach sagen: ' Macht doch, was ihr wollt!'.
Man müsse jetzt "so grundrechtsschonend wie möglich" schrittweise und regional angepasst genügend Maßnahmen einführen, um nicht in eine Überlastungssituation zu geraten. Das werde jetzt eine Gestaltungsaufgabe der Politik. Denn die Wissenschaft habe geliefert. "Man weiß, was welche Maßnahmen wie bringen können."