Die Corona-Inzidenzkarte der Stadt Duisburg könnte man auch als Übersicht lesen, wo in der Stadt die sozial schlechter gestellten Menschen wohnen. Duisburg-Süd, wo die Sieben-Tage-Inzidenz mit 63 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner am niedrigsten ist, gilt als wohlhabend.
Im nördlichen Bezirk Hamborn, zu dem auch der Stadtteil Marxloh gehört, wird dagegen mit 117,8 der zweithöchste Inzidenzwert innerhalb der Stadt erreicht (Stand: 26.01.2021). Nur in Walsum sind die Zahlen noch höher: 139.
Viele Gründe für höheres Infektionsrisiko
Der Kölner Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge sieht einen inhaltlichen Zusammenhang. "Die Finanzschwächsten werden am härtesten von der Pandemie getroffen", sagt der 70-Jährige, den die Linke 2017 als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten aufstellte. "Der Grund dafür ist, dass ihre Lebensumstände das Risiko einer Infektion vergrößern."
Butterwegge: Zusammenhang zwischen Krankheit und Armut
So wohnten ärmere Menschen häufiger mit mehr Personen auf engerem Raum und arbeiteten oft in Jobs, in denen die Abstands- und Hygieneregeln schwieriger einzuhalten seien. "Jemand, der in einer Fabrik oder auf dem Bau arbeitet, hat nicht die Möglichkeit, ins Homeoffice zu gehen."
Dazu komme, dass Menschen, die weniger Geld zur Verfügung haben, häufiger mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs seien - und da stecke man sich leichter an als im eigenen Auto.
Vorsicht bei der Interpretation von Geodaten
Auch Stefan Rüping vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) vermutet einen Zusammenhang zwischen Armut und Neuinfektionen. Dennoch rät er bei der Interpretation zur Vorsicht.
Zwei Aspekte seien dabei entscheidend. "Einmal, dass man nicht weiß, wie gut die Gesundheitsämter bei der Nachverfolgung hinterherkommen, und somit, wie repräsentativ die Zahlen sind", so Rüping. Und es könne auch Einflüsse geben, die nicht statistisch erhoben werden.
So könne ein Corona-Ausbruch in einer Kita in einem Stadtteil die Zahlen in die Höhe treiben. "Da ist es dann weniger entscheidend, wie viel Einkommen oder welchen Job jemand hat, sondern wie viele Kinder im Kita-Alter", erklärt Rüping.
Inzidenz im Essener Zentrum gestiegen
Ein Blick nach Essen zeigt, wie schnell sich Inzidenzwerte ändern können. Bis vor einer Woche waren dort noch deutliche Unterschiede zwischen dem eher wohlhabenden Süden und ärmeren Stadtbezirken im Norden sichtbar.
Durch eine schnelle Zunahme der Neuinfektionen im zentralen Stadtbezirk I ist nun (Stand: 28.01.2021) dort die Inzidenz mit über 170 am höchsten.
Um solche Geodaten im Bezug auf das Coronavirus künftig besser interpretieren zu können, analysiert das Fraunhofer-Institut aktuell Daten, die ihnen das Gesundheitsamt Köln zur Verfügung stellt. Die Ergebnisse sollen in den kommenden Wochen veröffentlicht werden.