Wohl fast jeder hat in den vergangenen Monaten das Angebot von kostenlosen Corona-Schnelltests genutzt. Das ist bald vorbei. Ab 11. Oktober müssen die Tests in der Regel selbst bezahlt werden. Gratis sind sie dann nur noch für diejenigen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können oder für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt - wie Schwangere oder Kinder und Jugendliche. So haben es Bund und Länder am Dienstag beschlossen.
Der richtige Schritt, um die ins Stocken geratene Impfkampagne wieder anzukurbeln? Besonders in Kombination mit der ebenfalls beschlossenen erweiterten Testpflicht für Ungeimpfte? Oder könnte sich das Ende der kostenlosen Tests sogar in ein paar Monaten als neuer Pandemietreiber herausstellen? Ein Pro und Kontra.
Was spricht dafür?
- Weniger Ungeimpfte: Noch ist nicht klar, wieviel ein Schnelltest in Zukunft kosten wird. Laut Bundesregierung werden sie den Betreibern von Testzentren derzeit mit rund elf Euro vergütet. Weil die Zahl der Tests insgesamt stark sinken wird, dürften die Betreiber künftig wohl erheblich mehr fordern, um ihre Kosten zu decken. Weil Ungeimpfte für jeden Restaurant- oder Kinobesuch bald ein negatives Testergebnis brauchen, kommen also hohe Kosten auf sie zu. Das wird viele Impfzweifler überzeugen, sich doch noch die kostenlose Spritze abzuholen.
- Mehr Gerechtigkeit: Bisher haben die "kostenlosen" Bürgertests die Allgemeinheit fast vier Milliarden Euro gekostet. Weil mittlerweile allen Erwachsenen ein Impfangebot gemacht wurde, ist nicht einzusehen, warum die geimpfte Mehrheit der Bürger weiter die Tests einer unwilligen Minderheit bezahlen muss.
- Einheitliche EU-Regeln: Deutschland ist eines der letzten EU-Länder, das noch kostenlose Tests anbietet. Nach Angaben des Europäischen Verbraucherzentrums zahlen Griechen zwischen 15 und 40 Euro für einen Schnelltest, Italiener sogar bis zu 50 Euro.
Was spricht dagegen?
- Weniger Tests: Die kostenlosen Bürgertests haben dazu beigetragen, dass Tausende Neuinfektionen entdeckt wurden und die Betroffenen in Quarantäne geschickt werden konnten. Wenn die Zahl der Tests sinkt, werden unzählige Corona-Fälle unentdeckt bleiben - besonders bei Infizierten ohne Symptome und bei Geimpften. Außerdem wird die Zahl der Testzentren voraussichtlich sinken - die Hürden für einen Test liegen künftig höher.
- Nachteile für Arme: Gesellschaftliche Teilhabe dürfe nicht davon abhängen, ob Menschen sich einen Corona-Test leisten könnten, sagt der Sozialverband Deutschland. Arme Menschen, die Angst vor Nebenwirkungen haben und deshalb eine Impfung ablehnen, werden künftig dazu gezwungen.
- Nachteile für die Wirtschaft: Gerade erst ist in vielen Kommunen wieder ein Restaurant-Besuch ohne Testpflicht möglich und die Gastronomen verdienen nach langer Pause wieder etwas Geld. Durch die kostenpflichtigen Tests könnten der Umsatz dieser und vieler anderer Branchen wieder einbrechen.
- Faktische Impfpflicht: Bisher hat die Bundesregierung stets garantiert, dass es keine allgemeine Impfpflicht geben wird. Zwar meint Ethikrat-Vorsitzende Alena Buyx, eine Impfpflicht gebe es nur dann, wenn man insgesamt sanktioniert wird, wenn man nicht geimpft ist. Ungeimpfte hätten immer noch die Alternative, einfach nicht ins Restaurant zu gehen. Allerdings betrifft die Testpflicht für Ungeimpfte nicht nur Restaurants, sondern einen Großteil der Innenräume im öffentlichen Raum. Ob Ungeimpften also wirklich eine Wahl bleibt, ist zumindest umstritten.