"Die vierte Welle hat begonnen." So lautet die Einschätzung des Robert Koch-Instituts. Doch zeitgleich hat Corona dank der Impfungen für viele Menschen seinen Schrecken verloren. Was bedeuten die steigenden Zahlen also für die kommenden Wochen und Monate. Antworten gibt die Wissenschaftsjournalistin Christina Sartori, die auch für die WDR-Wissenschaftsredaktion Quarks arbeitet.
WDR: Worauf müssen wir uns angesichts der vierten Welle einstellen?
Christina Sartori: Wenn die Inzidenzen weiter so steigen, werden wir irgendwann auch wieder so hohe Fallzahlen haben, dass dann auch die Zahlen in den Krankenhäusern steigen - sowohl auf den normalen Stationen als auch auf den Intensivstationen. Schon jetzt sieht man einen leichten Anstieg. Das wird vielleicht nicht so dramatisch werden wie um den Jahreswechsel herum. Aber mit absoluter Sicherheit kann das keiner sagen, weil noch immer Millionen von Menschen in Deutschland nicht geimpft und nicht geschützt sind.
WDR: Das heißt, die vierte Welle wird eine Welle der Ungeimpften sein?
Sartori: Auf jeden Fall. Neben denen, die sich nicht impfen lassen wollen, gibt es auch noch diejenigen, die es nicht können. Da sind vor allem die Kinder unter 12 Jahren, für die es noch gar keinen Impfstoff gibt. Hinzu kommen die Kinder ab zwölf Jahren, für die die Ständige Impfkommission erst vor Kurzem empfohlen hat, dass sie geimpft werden. Bis die nun ihre zweite Impfung bekommen, dauert es nun ein paar Wochen. Und man sieht jetzt schon, dass in vielen Schulen Kinder zuhause bleiben müssen.
WDR: Genau vor einem Jahr lagen die Infektionszahlen noch nicht so hoch und stiegen erst später. Deutet das darauf hin, dass diese vierte Welle größer wird als die im Vorjahr?
Sartori: Wir müssen erst einmal davon ausgehen, dass die Zahl der Neuinfektionen weiter steigt. Und diese vierte Welle ist tatsächlich fünf Wochen früher dran als die Welle im letzten Jahr. Das heißt, wir können sehr hohe Zahlen erwarten. Das wird aber nicht im gleichen Maße zu mehr Krankenhauseinweisungen führen, weil eben viele Menschen geschützt sind.
Sie infizieren sich zwar, aber sie sind durch die Impfung geschützt. Das heißt, sie werden vielleicht nur noch leicht oder gar nicht krank. Der Anteil der Krankenhauseinweisungen wird lange nicht so schnell steigen, wie in den vorherigen Wellen. Trotzdem ist es noch zu früh zu sagen, dass das problemlos sein wird. Selbst in Großbritannien sagen Experten: Wir wissen noch nicht, wie der Winter aussehen wird.
WDR: Es ist also nicht absehbar, dass die Zahlen demnächst wieder sinken?
Sartori: Das ist eher unwahrscheinlich. Das Robert Koch-Institut hat verschiedene Modellierungen gemacht und die gehen davon aus, dass es gut sein könnte, dass es im Januar/Februar einen Höhepunkt geben wird mit sehr hohen Zahlen, wenn man das jetzt so weiterlaufen lässt. Die Delta-Variante ist einfach wahnsinnig ansteckend, die Maßnahmen sind derzeit nicht mehr so hart und die Durchimpfung zu niedrig, als dass die Zahlen einfach so runtergehen.
WDR: Das heißt, es gibt Grund zur Vorsicht, aber nicht zu Alarmismus?
Sartori: Auf jeden Fall Grund zur Vorsicht. Mich ärgert aber, dass man jetzt nicht noch ein paar Wochen wenigstens sehr vorsichtig ist. Es geht darum, die Inzidenz niedrig zu halten, damit Schule und Kita problemlos laufen können. Denn dort sind diejenigen, die im Moment noch nicht ausreichend geimpft sein können. Allein aus Rücksicht auf diese Gruppe, die so viel zurückgesteckt hat in der Pandemie, sollten sich Erwachsene jetzt sehr sicher verhalten und impfen lassen.