Die Intensivstationen seien bundesweit zu knapp 90 Prozent ausgelastet. Das sagte der wissenschaftliche Leiter des Intensivregisters "Divi", Prof. Christian Karagiannidis, am Montag im WDR Fernsehen. In Bayern, Sachsen und Thüringen sei die Situation besonders angespannt. Wegen der hohen Zahl von Corona-Patienten auf den Intensivstationen sprang am Montag in Bayern sogar die "Krankenhaus-Ampel" auf Rot. Damit gelten ab Dienstag Verschärfungen der Zutritts- und Testregeln.
In NRW, Hamburg und Niedersachsen seien Intensivstationen regional vereinzelt komplett ausgelastet wie in Düsseldorf, könnten aber noch innerhalb des Bundeslandes den Mangel an Intensivbetten ausgleichen, so Karagiannidis.
Karagiannidis: "Gar nicht so weit weg von der Herdenimmunität"
Der Notfallmediziner spricht sich für die bundesweite Einführung von 2G-Regeln aus. In Frankreich, Griechenland und Italien sei zu beobachten, wie viel der Zutritt zu öffentlichen Bereichen nur für Geimpfte und Genesene bringe, "dass es die Impfgeschwindigkeit noch mal deutlich erhöht hat". Und: Einige Bundesländer wie NRW seien "gar nicht so weit weg von der Herdenimmunität - zehn, 15 Prozent, dann hätten wir es geschafft".
Michael Hallek: Auch junge Menschen in Gefahr
Michael Hallek, Internist an der Uniklinik Köln, appellierte am Montagabend im Gespräch mit der "Aktuellen Stunde" erneut eindringlich an alle Ungeimpften, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken. Er werde auf der Intensivstation zurzeit auch mit jungen Menschen zwischen 20 und 40 konfrontiert, "die unter bitterer Not, Schmerzen, Atemnot und anderem Leid um ihr Leben ringen".
Hallek betonte, dass die Risikoabwägung eindeutig für eine Impfung spreche: "Ich habe noch niemanden gesehen, der mit einer schweren Komplikation durch die Impfung auf der Intensivstation gelandet ist, aber viele Patienten, die wegen Covid auf der Intensivstation sind."
Man könne noch nicht einmal ausschließen, dass in den Kliniken in absehbarer Zeit wieder über eine "Triage" gesprochen werden müsse, so Hallek. Gemeint ist eine Auswahl von Patienten, die die besten Überlebenschancen haben und deshalb im Fall einer Überlastung des Gesundheitssystems bevorzugt behandelt werden.
Van den Hooven: "An den Grenzen der Kapazitäten"
Auch Thomas van den Hooven, Pflegedirektor der Uniklinik Münster, blickt mit Sorgen auf die nächsten Wochen. Derzeit gäbe es nur noch 640 freie Intensivbetten in NRW, die für Corona-Patienten genutzt werden könnten. Das Personal sei müde, man befände sich an den Grenzen der Kapazitäten: "Wir kriegen das derzeit noch hin, müssen aber im Elektivprogramm einschränken." Das bedeutet: Planbare Operationen und Behandlungen werden verschoben.
Corona-Indikatoren: Einer von drei Grenzwerten überschritten
In NRW sind nach Angaben des Landeszentrum Gesundheit derzeit 8,14 Prozent (Grenzwert 12 Prozent) der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt, die Hospitalisierungsinzidenz liegt bei 2,91 (Grenzwert 5). Diese besagt, wie viele Personen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche wegen Corona im Krankenhaus behandelt werden müssen. Die 7-Tage-Inzidenz im Land lag am Montag bei 123,2 (Grenzwert 100).
Sollten die Grenzwerte von zwei dieser drei Indikatoren länger als drei Tage überschritten werden, empfiehlt das Robert Koch-Institut weitere Einschränkungen. So sollen strengere 2G/3G-Zugangskonzepte gelten, zudem sollen Schließungen von Bars und Clubs sowie die Absage größerer Veranstaltungen ab 100 Teilnehmern erwogen werden.