Der ewige Ausnahmezustand an den Schulen hat Spuren hinterlassen. Müssen die Schüler jetzt mit Bildungslücken leben? Oder sollte das Schuljahr bundesweit bis Weihnachten verlängert werden, damit der Stoff aufgeholt werden kann, wie es Bildungsforscher Marcel Helbig vorschlägt?
Schon jetzt sei klar, dass die Schulabschlüsse des Jahres 2021 kaum vergleichbar seien werden, sagt Dario Schramm, Schüler aus Bergisch-Gladbach und Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz.
WDR: Herr Schramm, ab dem 22. Februar soll in NRW der Schulbetrieb langsam wieder starten. Welche Folgen haben zwei Monate Distanzunterricht?
Dario Schramm: Die langfristigen Folgen sind noch nicht absehbar, aber sie werden erheblich sein. Die Isolation hat den Schülern geschadet, das ist klar. Psychologisch wird das noch lange nachwirken. Wie sich der Lockdown auf die Bildung auswirkt, das weiß noch niemand. Was ist tatsächlich gelernt worden und was nicht? Da wird es erhebliche Unterschiede geben.
WDR: Was hat Schülerinnen und Schüler in den vergangenen Wochen und Monaten am meisten genervt?
Schramm: Dass sie nicht wussten, was auf sie zukommt: Können die Schulen wieder öffnen? Wenn ja für wen? Es gab überhaupt keine Perspektive und das war frustrierend.
WDR: Von welchen speziellen Problemen berichten Grundschüler und von welchen Gymnasiasten?
Schramm: Die jüngeren Schüler hatten es deutlich schwerer. Man kann einen Erstklässler nicht so einfach vor einen Computer setzen und ihm sagen, er soll sich in eine Videokonferenz einwählen und Aufgaben in der Cloud lösen. Das funktioniert bei den Älteren zwar besser, aber das gemeinschaftliche Lernen hat doch sehr gefehlt.
WDR: Ist das Schuljahr noch zu retten?
Schramm: Also ob der Lehrplan eingehalten wird? Schwer zu sagen. Ich bin mir aber sicher, dass die Schüler trotz allem einiges gelernt haben. Vor allem Eigenständigkeit und Selbstorganisation.
WDR: Nach dem Bund-Länder-Beschluss kann jedes Land eigene Termine und Regeln festlegen. Hätten Sie eine einheitliche Lösung bevorzugt?
Schramm: Ja, auf jeden Fall. Aber die Bundesländer wollten offenbar eine Beschneidung ihrer föderalen Kompetenzen im Bildungsbereich auf jeden Fall vermeiden. Zumindest mit einer Einigung auf ein paar gemeinsame Eckpunkte hatte ich fest gerechnet.
WDR: Sind die Abschlüsse des Jahres 2021 dann überhaupt noch vergleichbar?
Schramm: Eher nicht, und das ist fatal. Manche Schüler werden jetzt eine halbwegs ordentliche Vorbereitung bekommen, andere nicht.
WDR: Wie betrifft Sie das persönlich?
Schramm: Ich stehe selbst kurz vorm Abitur. Und ich kann mich zuhause nur schwer zum Lernen motivieren, ich brauche die Gemeinschaft.
Das Interview führte Andreas Poulakos.