Mit einer Karikatur fing alles an
Im Jahr 1996 erscheint in der Zeitung taz ein Cartoon. Dort sagt ein Mann zu einem anderen: "Der Unterschied zwischen Dir und mir besteht darin, Hüsnü: Du bist ein getürkter Deutscher! Eine Fälschung. Und ich bin ein Original. Ein Bio-Deutscher". Damit begann die Geschichte des Begriffs, den eine Jury in Marburg jetzt zum Unwort des Jahres gewählt hat.
Wörtliche Verwendung rassistisch
Der Ausdruck sei im vergangenen Jahr vor allem in den sozialen Medien verwendet worden, "um Menschen vor dem Hintergrund vermeintlich biologischer Abstammungskriterien einzuteilen, zu bewerten und zu diskriminieren", heißt es von der Jury, die vor allem aus der Sprachwissenschaft kommt. Sie bezeichne die Unterteilung in angeblich "echte" Deutsche und in Deutsche "zweiter Klasse" als eine Form von Alltagsrassismus.
Ursprung im Jahr 1996
Etabliert habe den Begriff der Cartoonist und Kabarettist Muhsin Omurca, erklärt die Jury-Sprecherin und Sprachwissenschaftlerin der Marburger Philipps-Universität, Constanze Spieß. Omurca hatte vor knapp 30 Jahren den Cartoon in der taz gezeichnet und den Begriff auch immer wieder in seinem Bühnenprogramm verwendet.
Anfangs war es Ironie
In den ersten Jahren wurde der Ausdruck vor allem satirisch-ironisch verwendet. Größere Aufmerksamkeit bekommt der Begriff unter anderem Anfang der 2000er Jahre, als ihn der Grünen-Politiker Cem Özdemir mehrfach selbst scherzhaft für Deutsche ohne Migrationshintergrund benutzt.
In Köln greift die Aktivistengruppe "Kanak Attak" den Begriff im Jahr 2002 ebenfalls auf. In ihrem Kurzfilm "Weißes Ghetto" wird der Stadtteil Lindenthal besucht. Vor der Kamera kommen Anwohner zu Wort, die unter anderem berichten, es würde "hier keine Ausländer" geben. Die Autoren kommen zum ironischen Schluss, diese Menschen würden sich nicht ausreichend in die Kölner Gesellschaft integrieren. Zum Schluss des Films wird der Kölner Stadtteil Lindenthal als "Hochburg der Biodeutschen" bezeichnet.
"Das Wort ist längst in der Gosse gelandet"
Das Wort "biodeutsch" sei für ihn wie ein Kunstwerk, sagt der Kabarettist Omurca. Man könne es auslegen wie man will. Natürlich freue es den Künstler, wenn das "Produkt eine solche Karriere hinlegt". Mit Blick auf den Rassismus und die nicht mehr ironische Verwendung des Wortes gerade in rechten Kreisen, räumt er allerdings auch ein, das Wort sei "längst in der Gosse gelandet". Darauf habe er aber keinen Einfluss mehr.
"Ich bin mit 20 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen, musste die Sprache neu lernen und hätte niemals gedacht, dass ich ihr sogar ein neues Wort hinzufüge", schmunzelt Omurca im Gespräch mit dem WDR. Im Jahr 2017 wurde es sogar im Duden aufgenommen. Wenn jetzt aber Menschen zum Beispiel von der AfD diesen Begriff zur Ausgrenzung verwendeten, dann sollten sie sich bewusst machen, "dass gerade dieses Wort ihnen von einem Türken in den Mund gelegt ist", sagt der Kabarettist.
Quellen:
- "Unwort"-Jury
- Muhsin Omurca
- Kurzfilm "Weißes Ghetto"
- dpa
Über dieses Thema berichten wir am 13.01.2025 im WDR Fernsehen in der Aktuellen Stunde um 18.45 Uhr.