Mehr Produktivität, weniger Krankheitsfälle, weniger Kündigungen. Das ist - kurz zusammengefasst - das Ergebnis eines wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekts in Großbritannien zu einer Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt. Fast alle beteiligten Unternehmen wollen das Modell beibehalten. Könnte sich die Vier-Tage-Woche in Deutschland durchsetzen? Argumente dafür und dagegen und Beispiele aus NRW.
Was spricht für die Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt?
Die Ergebnisse der Studie von Forscherinnen und Forschern in Boston und Cambrigde sprechen eindeutig für eine Vier-Tage-Woche, bei der die Beschäftigten den Lohn einer Fünf-Tage-Woche erhalten.
Zentrale Ergebnisse der Studie zur Vier-Tage-Woche:
- 65 Prozent weniger Krankheitstage
- 1,4 Prozent Umsatz-Anstieg der beteiligten Unternehmen
- 56 von 61 der beteiligten Unternehmen wollen bei der Vier-Tage-Woche bleiben
- 57 Prozent weniger Angestellte, die das Unternehmen verließen
- 4 von 10 Beschäftigten fühlen sich weniger gestresst als vor dem Projekt
Der Testzeitraum erstreckte sich auf die zweite Hälfte des vergangenen Jahres. Beteiligt waren 2.900 Angestellte - in Unternehmen aus dem Finanzsektor, der IT- und Baubranche sowie der Gastronomie oder auch dem Gesundheitswesen. Außerdem nahm ein Fish-and-Chips-Laden teil.
Brendan Burchell vom Forschungsteam an der University of Cambridge berichtete, dass viele Angestellte selbst nach Wegen gesucht hätten, ihre Produktivität zu steigern. "Lange Meetings mit zu vielen Menschen wurden verkürzt oder komplett abgeschafft", nannte er als Beispiel.
Die meisten Studienteilnehmer nutzten den zusätzlichen freien Tag vor allem für die Erledigung alltäglicher Aufgaben wie Einkäufe oder Haushaltsarbeit. Dies ermöglichte vielen wiederum, das eigentliche Wochenende stärker zur Erholung zu nutzen, mehr Zeit mit Familie oder Freunden zu verbringen und sich stärker ihren Hobbys oder einem Engagement zu widmen.
Was spricht gegen dieses Modell der Vier-Tage-Woche?
Manche Zweifel an dem Modell der Vier-Tage-Woche bei vollem Gehalt kamen schon bei der Studie selbst auf. So äußerten einige Beschäftigte die Sorge, dass sich ihre Belastung an den Arbeitstagen zu stark steigern könne.
Der britisch-deutsche Wirtschaftswissenschaftler Andrew Lee, der an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg lehrt, wirft die Frage auf, wie die Vier-Tage-Woche in systemrelevanten Branchen - wie etwa der Pflege oder dem Gesundheitswesen - funktionieren solle, wo es schlicht nicht möglich sei, die Produktivität zu steigern.
Das Risiko sei, dass die Attraktivität dieser Berufe abnehme, wenn das Konzept dort nicht funktioniere, so Lee. "Das wäre schlecht, weil wir in diesen Berufen ohnehin schon Mangel haben."
Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit und ehemalige SPD-Vorsitzende, Andrea Nahles, sagte der "Augsburger Allgemeinen" (Montagsausgabe). "Fragen der Work-Life-Balance müssen neu ausgehandelt werden, wie meine Generation die Verteilung der Arbeit zwischen Frau und Mann in Familien neu ausgehandelt hat."
Nahles verwies darauf, dass der Fachkräftemangel deutsche Unternehmen härter treffen werde als internationale Wettbewerber. Denn der demografische Wandel sei in Deutschland eklatant. Entsprechend heißt es in der "Fachkräftestrategie der Bundesregierung": Man strebe an, mehr Frauen in "eine vollzeitnähere Beschäftigung" zu bringen.
Auch das NRW-Schulministerin kündigte kürzlich an, bei Anträgen auf Teilzeitbeschäftigung künftig "intensiv" prüfen zu wollen, ob dienstliche Gründe einer Genehmigung entgegenstehen. Der Grund: der massive Lehrermangel.
Sollte die Politik aktiv werden in der Debatte um eine Vier-Tage-Woche?
Die Politik hält sich bei solchen Fragen meistens zurück und verweist auf die Tarifautonomie, bei der Unternehmen und Gewerkschaften unter sich aushandeln, wie viel gearbeitet wird.
Auch Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hält das in einer Analyse für angebracht: Die Frage der Kombination von Arbeitszeit und Entgelt solle man auch weiterhin den Tarifparteien überlassen.
Welche Beispiele einer Vier-Tage-Woche gibt es in NRW?
Volker Kaluza, Chef der Daub CNC Technik
Mehrere Unternehmen in NRW haben eine Vier-Tage-Woche bereits eingeführt oder zumindest ausprobiert. Zum Beispiel die Firma Daub CNC Technik aus Wenden im Sauerland. Dort arbeiten die Beschäftigten jetzt vier Tage pro Woche jeweils neun Stunden. Der Geschäftsführer Volker Kaluza sieht darin Vorteile: Man spare Energie ein und sei am Arbeitsmarkt attraktiv.
Auch die Profi Metall & Technik GmbH, ein mittelständischer metallverarbeitender Betrieb aus Stadtlohn im Münsterland, testet seit Dezember die Vier-Tage-Woche. Dort beabsichtigt man ebenfalls Energieeinsparungen. Für Chef Werner Steppat ist das Modell ein voller Erfolg. Die Produktivität sei gesteigert worden, man habe zwei neue Mitarbeiter einstellen können.
Der "Bornfelder Kfz-Meisterbetrieb" in Hemer im Sauerland hatte hingegen keinen Erfolg mit der Vier-Tage-Woche. Chef Bernhard Bornfelder hatte gehofft, dadurch attraktiv für den Nachwuchs zu werden. Bis heute - etwa ein Jahr später - hat sich aber kein einziger Interessent bei ihm gemeldet. Deshalb hat er die Vier-Tage-Woche vorerst wieder abgeschafft.