Diskussionen um die Arbeitszeit sind alles andere als neu. Immer schon war die Arbeitswelt umwälzenden Veränderungen unterworfen. Im Jahr 1900 waren noch 60 Stunden Arbeit an insgesamt sechs Tagen in der Woche verbreitet. Erst 1918 wurde der Acht-Stunden-Tag eingeführt, allerdings weiterhin an sechs Tagen in der Woche. Das Motto damals lautete "8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Muße, 8 Stunden Schlaf".
In den 50er Jahren setzten die starken Gewerkschaften schließlich die 40-Stunden-Woche durch. Seitdem gab es immer wieder Versuche, die Arbeitszeit weiter zu verkürzen.
IG-Metall-Chef glaubt an die Vier-Tage-Woche
Zum 1. Mai, dem Tag der Arbeit, forderte IG-Metall-Chef Jörg Hofmann nun die Vier-Tage-Woche für Arbeitnehmer in der Industrie - bei vollem Lohnausgleich. "In der Metall- und Elektroindustrie beträgt die Wochenarbeitszeit 35 Stunden. Im Stahl arbeiten die Schichter sogar nur 33,6 Stunden in der Woche und müssen dann übers Jahr 13 Zusatzschichten leisten, um auf die Wochenarbeitszeit zu kommen." Der Sprung zur 32-Stunden-Woche an vier Tagen sei also gar nicht so groß.
In welchen Bereichen soll bei vier Tagen Schluss sein?
"Zuallererst brauchen wir die Vier-Tage-Woche für Berufe, in denen kein Homeoffice möglich ist, wie auf Baustellen. Und für Schichtarbeit", sagte der Gewerkschaftschef der "Bild am Sonntag".
Die Vorteile einer Vier-Tage-Woche lägen auf der Hand: Die Produktivität und die Arbeitszufriedenheit seien höher, die Mitarbeiter stets motiviert. Wenn Handwerksbetriebe beispielsweise freitags geschlossen blieben, könnten sie zudem Energie sparen.
Und: Die zunehmende Automatisierung der Arbeit kann die Produktivität erhöhen und damit Raum schaffen für mehr Freizeit für die Menschen. Ob die Künstliche Intelligenz (KI) die Welt der Arbeit revolutionieren wird, ist derzeit noch ungewiss, erscheint aber möglich.
Vier Tage arbeiten, drei Tage frei ist familienfreundlich
Studien und der Blick in die Realität zeigen, dass es für Unternehmen, die die Vier-Tage-Woche anbieten, einfacher geworden ist, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Außerdem, so mutmaßt Hofmann, "wären viel mehr Frauen bereit, in Vollzeit zurückzukehren, weil dieses Modell auch mit Familie funktioniert".
Zuspruch erhielt der Gewerkschafter von SPD-Politikerin Saskia Esken. Dem WDR sagte sie am Sonntag: "Es ist wichtig, dass die Arbeit zum Leben der Menschen passt. Dass auch Frauen und Mütter, die derzeit nur Teilzeit arbeiten können, sich zur Vollzeit entschließen können. Damit wir gerade den Fachkräftemangel gemeinsam überwinden, durch Zuwanderung, aber eben auch durch mehr Erwerbsbeteiligung von Frauen, von Älteren und dazu ist die Vier-Tage-Woche besonders gut geeignet."
In ihrem Wahlkreis gebe es eine Reha-Klinik, in der seit mehreren Jahren an vier Tagen die Woche neun Stunden gearbeitet würden, und da sei die Fluktuation wesentlich geringer. Zudem sei der Krankenstand erheblich niedriger.
Doch nicht alle finden diesen Vorstoß gut, manche halten den Denkansatz sogar für bedrohlich für den Standort Deutschland. Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zum Beispiel spricht von einer "Milchmädchenrechnung".
"Nur mit mehr Bock auf Arbeit und Innovationen werden wir unseren Sozialstaat und den Klimaschutz auf Dauer finanzieren können." Sollten die Arbeitnehmer allerdings ihre Arbeitszeit in der Woche auf vier Tage verteilen können, ist dies für Kampeter ein guter Weg: "Wir plädieren sehr für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitrechts", sagte er.
Die Arbeitszeit auf vier Tage verteilen
In NRW gibt es schon Firmen aus mehreren Branchen, die die Vier-Tage-Woche ausprobieren. Sie kommt bei den Mitarbeitenden gut an. Die Firma Daub CNC Technik aus Wenden etwa hat die tägliche Arbeitszeit auf neun Stunden erhöht, dafür bekommen die Angestellten dann drei Tage frei.
Mercedes-Vorstandschef Ola Källenius lehnt die Forderungen nach einer Vier-Tage-Woche samt Lohnausgleich aber ab. "Wenn unsere erste Priorität ist, bei vollem Lohnausgleich weniger zu arbeiten, gewinnen wir international kein Spiel mehr", sagte Källenius der "Bild am Sonntag". "Unsere Industrie befindet sich in einer Jahrhundert-Transformation. Da müssen wir die Ärmel hochkrempeln."
Das Feedback aus den Unternehmen, die in NRW die Vier-Tage-Woche ausprobieren, ist allerdings durchaus positiv.