Gleichberechtigung in unseren Köpfen

Aktuelle Stunde 08.03.2024 03:26 Min. UT Verfügbar bis 08.03.2026 WDR Von Susanna Zdrzalek

Weltfrauentag:Wie weit sind wir bei der Gleichstellung?

Stand: 08.03.2024, 15:26 Uhr

Frauen und Männer sind gleichberechtigt: Das steht zwar seit 1949 im Grundgesetz, doch es hat Jahrzehnte gedauert, bis die Politik in Deutschland zu mehr faktischer Gleichstellung bereit war.

Von Ingo NeumayerIngo Neumayer

Es ist kein Zufall, dass die Bevölkerung in Irland ausgerechnet am Freitag und somit am Weltfrauentag in einem Referendum über die Neufassung eines Verfassungsartikels abstimmt. Denn im Artikel 41 geht es um die Ehe und die Rolle der Frau in der Familie. Dort heißt es: "Durch ihr Leben zu Hause bietet die Frau dem Staat eine Unterstützung, ohne die das Gemeinwohl nicht gewährleistet werden kann. Der Staat ist daher bestrebt sicherzustellen, dass Mütter nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit einer Arbeitstätigkeit nachgehen müssen, aufgrund derer sie ihre Pflichten zu Hause vernachlässigen würden."

Frauen sollten am besten nicht arbeiten gehen, weil sie sonst den Haushalt vernachlässigen - eine althergebrachte Einstellung und Rollenverteilung, die seit 1937 irische Frauen per Verfassung auf "ihre Pflichten" verweist. Die soll nun gestrichen werden: Eine neue Formulierung soll allen Familienmitgliedern und nicht nur den Frauen die Verantwortung dafür zuschreiben, füreinander zu sorgen.

Die Chancen, dass die Verfassung entsprechend geändert wird, stehen gut. Umfragen deuten auf eine zustimmende Haltung der Wählerinnen und Wähler hin. Alle großen politischen Parteien in Irland befürworten die Änderungen.

Bis 1958: Ehemann per Gesetz der "Entscheider"

Der Weg zur Gleichstellung ist oft lang - auch in Deutschland. So steht im Grundgesetz zwar bereits seit 1949: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt." Doch bis 1958 galt der Ehemann gesetzlich als Entscheider in der Familie. Er bestimmte, ob die Frau arbeiten durfte, er verwaltete das Geld, er entschied über Anschaffungen, Verträge und wo und wie die Familie wohnte.

Das änderte sich zwar mit dem Gleichberechtigungsgesetz, allerdings mit Einschränkungen: So wurde Frauen zwar das Recht auf Arbeit zugesichert, allerdings nur "soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist".

Gleichberechtigungsgesetz verabschiedet (am 03.05.1957)

WDR 2 Stichtag 03.05.2017 04:15 Min. Verfügbar bis 01.05.2027 WDR 2


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Dieser Passus wurde erst 1977 mit der Reform des Ehe- und Familienrechts reformiert. Damals nahm man gesetzlich vom Leitbild der Hausfrauenehe Abschied, stattdessen hieß es: "Die Ehegatten regeln die Haushaltsführung im gegenseitigen Einvernehmen." Auch das Scheidungsrecht wurde modernisiert mit dem Ziel, die soziale Sicherung von geschiedenen Frauen zu verbessern.

Vergewaltigung in der Ehe erst seit 1997 strafbar

Ein weiterer Punkt, über den jahrzehntelang gestritten wurde: Vergewaltigung in der Ehe. "Wer eine Frau mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zum außerehelichen Beischlaf mit ihm oder einem Dritten nötigt, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft" - so lautete der Gesetzestext.

Friedrich Merz während eines Rednerwettstreites im Bonner Wasserwerk

Vergewaltigung in der Ehe bestrafen? Merz war dagegen

Wohlgemerkt ist hier nur vom "außerehelichen Beischlaf" die Rede. Vergewaltigung existierte laut Gesetz also nur außerhalb, nicht in der Ehe.

Nach einer Studie des Familienministeriums, die drei Viertel aller Vergewaltigungen dem "sozialen Nahraum" zuordnete und allein zwischen 1987 und 1991 in der Ehe 350.000 Vergewaltigungen registrierte, kam Bewegung in die Politik. Im Mai 1997 beschloss der Bundestag, Vergewaltigung in der Ehe künftig unter Strafe zu stellen.

Der Antrag, für den der Fraktionszwang aufgehoben wurde, erhielt 470 Ja-Stimmen. 138 Abgeordnete stimmten für Nein - darunter der jetzige CDU-Chef und Oppositionsführer Friedrich Merz.

Männer verdienen in ihrem Leben fast doppelt so viel wie Frauen

Doch Gesetze sind nur ein Element beim Thema Gleichstellung. Ein anderes ist die wirtschaftliche Realität - und da sind die Unterschiede zwischen Männern und Frauen nach wie vor riesig. Laut einer Bertelsmann-Studie verdienen Männer in ihrem Leben knapp doppelt so viel wie Frauen.

Eine Frau zwischen drei Männern

Männer können auf größerem Fuß leben

Und Kinder verschlechtern die Lage für Frauen noch weiter: Während das Einkommen von Vätern nahezu gleich bleibt, nimmt das der Mütter mit jedem weiteren Kind ab. Dieses Unterschiede liegen unter anderen daran, dass Frauen im Schnitt 4,50 Euro weniger Stundenlohn erhalten als Männer. Aber eben auch daran, dass sie durch Kinderpausen und Teilzeit weniger im Job arbeiten.

"Gläserne Decken" und der Nachwuchs als Karrierekiller

Stattdessen - Stichwort Care-Arbeit - sind es es eben immer noch zum Großteil die Frauen, die sich um die Familie kümmern und dafür beruflich kürzer treten. Und wenn sie dann nach einer mehr oder weniger langen Babypause zurückkehren, ist der Karrierezug oft abgefahren.

Dazu kommt das Phänomen der "gläsernen Decke": Studien zeigen, dass es Frauen beruflich oft nur bis zu einem gewissen Ebene schaffen; die Top-Positionen bleiben meist Männern vorbehalten. Hier spielen Geschlechterstereotype genauso eine Rolle wie Unternehmensstrukturen, die besser auf Männer zugeschnitten sind.

Kein Zweifel: Die Änderung von Gesetzen und Verfassungen beim Thema Gleichstellung sind wichtige Zeichen. Doch am Ende sind die wirschaftlichen Realitäten entscheidend. Und in diesem Bereich gibt es noch eine Menge zu tun.

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