"Du machst das super, Lucina!" Maja Freimuth beugt sich über eine Gummipuppe und streichelt sie an der Hand. Das wirkt befremdlich. Zumal wir nicht im Kreissaal, sondern in einem Klassenzimmer sind. Aber die Puppe kann interagieren und registriert es, wenn sie jemand berührt. "Ich kann fühlen, dass der Puls auch okay ist, das kann man sehr gut tasten“, sagt Maja.
Die Puppe simuliert, dass sie in den Wehen liegt - Maja und Mitschülerin Noëlie Schlieper betreuen sie und sollen gleich zum ersten Mal in ihrem Leben ein Kind auf die Welt holen. "Ist alles in Ordnung?, fragt Noëlie. "Yes, thank you“, Lucinas knappe Antwort. Das stimmt mit den Werten auf dem Bildschirm überein. Wehenschreiber und Herztöne des Ungeborenen sind unauffällig. Doch dann stöhnt Puppe Lucina, es gibt Komplikationen.
Geburtskomplikationen auf Knopfdruck
Die beiden Auszubildenden, und zukünftigen Arzthelferinnen, können mit AR-Brillen in Lucinas Inneres schauen und sehen, dass das Baby offenbar falsch liegt. "Man kann erkennen, dass die Schulter am Beckenboden festhängt. Dadurch kann das Kind nicht so wie geplant rauskommen.“ Das hat ein Lehrer vorher so einprogrammiert.
Im echten Leben ist das eine heikle Situation. Im schlimmsten Fall bekommt das Kind so zu wenig Sauerstoff - was lebensbedrohlich sein kann. Maja und Noëlie müssen sich etwas einfallen lassen.
"Am besten etwas, das sie im Unterricht zumindest schon theoretisch gelernt haben," erklärt Lehrer Sebastian Sydow. Es gehe nicht darum, mit der Puppe 1:1 zu üben wie eine Geburt abläuft, aber die Schülererinnen und Schüler sollen ein Eindruck gewinnen und Abläufe lernen. "Das steigert die Motivation, sich das Thema im Lehrbuch genauer anzuschauen,“ sagt der Lehrer.
Virtuelles Wunder der Geburt
Inzwischen schaut der Kopf des Babys heraus. Maja und Noëlie haben die Beine von Puppe Lucina mehrmals, rhythmisch angehoben. Dadurch hat sich ihr Becken offenbar gelöst und jetzt beginnt die letzte Phase der Geburt. Noëlie stützt vorsichtig den Kopf und wenige Augenblicke später hält sie eine viel kleinere Puppe in ihren Händen, samt Nabelschnur.
Eine High-Tech-Simulation für das Wunder der Geburt. Sie kommt aus den USA und kostet ungefähr 100.000 Euro. Das Ahlener Berufskolleg ist bisher die einzige Berufsschule in NRW mit dieser Technik. Die beiden Schülerinnen sind begeistert: "Das war spannend. Ich hätte nicht gedacht, dass da so viele Funktionen drin sind. Klar ist es keine echte Geburt, aber eine wichtige Erfahrung."
Quellen:
- WDR-Reporter vor Ort
- Berufskolleg Ahlen
Über das Thema berichten wir auch in der Lokalzeit Münsterland im WDR Fernsehen am 20.11.2024.