Eine gravierende Folge des Angriffs auf Südwestfalen IT: Die Stadt Siegen kann keinen Haushaltsplan für das nächste Jahr aufstellen. Der Kämmerer können nur den aktuellen Kontostand der Stadt abrufen. Rechnungen kämen wieder auf Papier und würden dann überwiesen.
Bereits vor einer Woche hatte Bürgermeister Steffen Mues eine Pressekonferenz des Krisenstabs mit den Worten eröffnet, die Folgen der Cyberattacke seien eine Katastrophe für die Stadt Siegen. 800 PC-Arbeitsplätze waren offline.
Keine falschen Erwartungen wecken
Der Krisenstab arbeite mit Hochdruck an Lösungen, baue Parallelstrukturen auf. Zum Beispiel konnten 200 bereits bestellte Laptops früher abgerufen werden, die nicht verseucht sind und mit denen gearbeitet werden kann. Alle Mitarbeitende der Stadt sind wieder unter ihren Telefonnummern erreichbar und hätten neue E-Mail-Adressen.
Aber: "Wir haben einen langen, sehr langen Weg vor uns, bis die Dienstleistungen der Stadtverwaltung wieder in vollem Umfang funktionieren werden", so der Bürgermeister. Mit 28 Fachverfahren, die über die Südwestfalen IT laufen, sei die Stadt Siegen eine der größten Kunden, und daher auch mit am stärksten betroffen.
Krisenstab tagt bis zu dreimal täglich
Henrik Schumann (rechts im Bild) leitet den Krisenstab
Henrik Schumann leitet den Stab für außergewöhnliche Ereignisse in der Stadt Siegen. Er macht klar: Es könne derzeit kein seriöser Zeitplan aufgestellt werden, wie lange die Dienste noch offline seien, weil man komplett von der Südwestfalen IT abhängig sei. Alle digitalen Daten, zum Beispiel das Einwohnermelderegister, seien nicht verfügbar.
Für den Bürger bedeutete das zum Beispiel: Geburts- und Sterbeurkunden können nicht ausgestellt werden, es gibt nur vorläufige Bescheinigungen. Die Nachbarkommune in Kirchen, Rheinland-Pfalz, greift ein wenig unter die Arme, denn dort können immerhin vorläufige Personalausweise beantragt werden.
Als Erfolg konnte der Krisenstab immerhin vermelden, dass alle Mitarbeitenden jetzt wieder telefonisch und per E-Mail erreichbar seien - alles zu finden auf der Notfall-Homepage.
Auch der Hochsauerlandkreis kann wieder E-Mails verschicken und empfangen. Das teilt die Kreisverwaltung mit. Wichtig für Bürgerinnen und Bürger: die provisorisch eingerichteten Mailadressen werden nur noch für eine Übergangszeit bestehen bleiben. Nur die offizielle Homepage des Kreises ist nach der Cyberattacke noch nicht wieder erreichbar. Für wichtige Informationen müssen Nutzerinnen und Nutzer nach wie vor auf die Notfall-Website gehen.
Am Mittwoch (22.11.2023) kam die erste positive Meldung, dass Südwestfalen IT die Systeme wieder hochfährt. Bis Weihnachten sollen erste Dienstleistungen wieder angeboten werden.
Verwaltung am Anschlag
Der Krisenstab gab auf der Pressekonferenz auch einen kleinen Einblick darüber, was der Cyberangriff für Folgen für die Verwaltung hat. Alle neuen Daten werden häufig in Excel oder auf Papier erfasst. Das müsse später alles in die entsprechende Software nachgearbeitet werden. Oder: Der Rat befasste sich in einer Sitzung mit einem großen Gewerbe-Bauvorhaben.
Früher digital papierlos für alle einsehbar, mussten jetzt 150 Seiten für rund 100 Personen ausgedruckt werden. Das sind 15.000 Seiten Papier - und damit einer von vielen Kostenfaktoren. Verteilt wurden die Unterlagen an die Ratsmitglieder per Fahrradkurier - reaktiviert aus früheren Zeiten.
Ein weiteres Beispiel sind Gehaltsabrechnungen. Die Stadt Siegen nutzt dafür die Software einer Firma in Lemgo. Weil die Verbindung gekappt ist, müssen die Mitarbeiter jetzt nach Lippe fahren.
Bürgermeister Mues stellte klar: Niemand der Stadtmitarbeiter würde bezahlt zu Hause sitzen, denn: Der Rückfall in die analoge Zeit würde viel mehr Arbeit verursachen. "Das ist ein massiver Eingriff auf die Demokratie", unterstrich Steffen Mues. Aber bisher seien alle entscheidungsrelevanten Sitzungen durchgeführt worden.
Keine Datenlecks bisher bekannt
Darauf dass sensible Daten geklaut wurden, gibt es keine Hinweise. Henrik Schumann vom Krisenstab erklärte, wenn Bürger seltsame Konto-Abbuchungen beobachten würden, sollten sie sich sofort an die Polizei wenden. Man werde aber auch das Darknet regelmäßig überprüfen, ob dort Daten auftauchen würden.
Über dieses Thema haben wir am 23.11.2023 im WDR Hörfunk berichtet: Lokalzeit Südwestfalen, 6:31 und 7:31 Uhr.